Kleine Geschichte zum Thema Weihnachten heute

Es kamen einmal drei Hirten nach Bethlehem. Sie sahen in der Ferne einen riesigen Stern leuchten, da trat ein Verkäufer an sie heran und fragte: „Na, toll, nicht wahr? Kaufen sie einen von unseren Adventssternen. Gibt es in allen Größen – für den kleinen Geldbeutel und für den Großen!“

Aber die Könige ließen sich nicht beirren und zogen weiter in Richtung des heiligen Lichts. Da sahen sie am Himmel einen Engel, der sprach – oder besser wollte sprechen, denn vorher fiel ihm ein Orchester ins Wort, welches ein amerikanisches Weihnachtslied zum Besten gab: „Here comes Santa Claus!“ Mitten drin wurde das Orchester leiser und eine halb nackte Frau trat auf, die eine Dose Hundefutter in der Hand hielt. „Gönnen Sie ihrem Hund auch mal was Besonderes zu Weihnachten!“ rief sie mit leuchtenden Augen, dann war das Orchester fertig und zog ab.

Der Engel blieb unbeirrt. Die Könige auch. So sprach der Engel: „Sehet, euch wurde ein Kind geboren in Bethlehem, das ist der Sohn Gottes…“

Die Könige fanden den Knaben süß, wie er da in der Krippe lag und zappelte. Aber er zappelte wohl vor Allem, weil das Stroh so hart war. So nahm ihn der erste König auf den Arm, was aber nirgends überliefert wurde. Er sah ihn sich lange beherzt an, dann ging es reihum. Jeder durfte den Knaben einmal auf seinen Arm nehmen.

„Er steht für den Frieden!“ befand der dritte König schließlich und gab ihn Maria wieder. Es war still für einen Augenblick. Man hörte das Atmen von Mensch und Tier im Stall. Kein Wunder, dass sich alle sehr erschraken als plötzlich ein Panzer vor rollte. Oben aus der Luke sah ein Mann, der den gleichen Panzer in klein zeigte. „Von uns – für dich! Wünsche dir diesen Panzer mit Light and Sound! So werden die Festtage ein Knaller!“

In diesem Moment ging ein Licht von Jesus aus und er sprach, obwohl er gerade erst geboren war: „Bitte, sorgt dafür, dass meine nächsten Geburtstage nicht so ausfallen, okay? Ich wünsche mir wirklich nur Frieden, okay?“

Damit waren alle einverstanden. Nur nicht der Programmchef, der begann zu diskutieren. Er sprach von Quoten und Geld. Sie diskutieren heute noch.

Und der Kameramann Ernst sagte zu seinem Kumpel Theo: „Ist es nicht verrückt, dass so viele Leute so viel Kohle damit machen, dass vor über 2000 Jahren ein Kind geboren wurde?“ Theo kratzte sich am Kopf und entschloss sich, nicht weiter darüber nachzudenken.

Weihnachtsgedanken 2018

„Früher war alles besser…“

Wer so spricht, ist alt. Da war ich lange Zeit ganz sicher und muss mich nun selbst überführen, denn ich sehe es langsam genau so. Ich sehe, wie meine lieben Kinder sich immer teurere Dinge zu Weihnachten wünschen, gelenkt durch gut durchdachte, überall anwesende Werbung. Wenn ich heute in der Werbung etwas entdecke, was meinen Kindern Spaß machen könnte, wissen sie schon ALLES darüber. Werbung, Youtubvideos und andere Quellen machen es möglich.

Wie sehr liebe ich es da, mich an „früher“ zu erinnern. Die Vorweihnachtszeit lag unter einem doppeltem Glanz. Zum Einen war es der Glanz des allgegenwärtigen Schnees und der Kälte, dann der Glanz dieser irgendwie verzaubert wirkenden Zeit. Mutter versteckte Geschenke im Schlafzimmer, mal im Schrank, mal unter dem Bett. Es dauerte Jahre, bis ich dahinter kam und mir so einen Großteil des Spaßes nahm, ein wenig von meiner eigenen Unschuld raubte.

Einst wie heute liebte ich die feierlich geschmückten Fenster an allen Orten. In der Grundschule wurden – je näher es an die Feiertage ging – auch mal ein oder zwei Stunde dem Vorlesen durch die Lehrerin gewidmet, während wir Kerzen anzündeten und der Duft von Mandarinen in der Luft hing.

Die Süßigkeiten am Nikolausmorgen… ja, es war schon so: Als Kind war ich bereit alles zu glauben. Auch die Anwesenheit vom Nikolaus. So mag es nicht verwundern, dass ich einmal durch das Schlüsselloch in die Festtagsstube blickte, in der es eigentlich nichts überirdisches zu sehen geben konnte. Aber ich war mir sicher, dass ich ein Kind in einer Krippe sah und einen heiligen Schein!

Neben all dem Zauber jener Zeit gab es natürlich auch bei uns die Sehnsucht, ja ich sage es offen: die SEHNSUCHT nach einem Geschenk. Etwas, was heute rar geworden ist: Der Wunsch nach DEM EINEN Geschenk! Hätte mich jemand drei Wochen vor Weihnachten gefragt, was ich mir zu Weihnachten wünsche, hätte ich es zu berichten gewusst: In allen Einzelheiten! Viele Kinder können das heute nicht mehr. Unsere Kinder sind zum Teil instrumentalisiert worden. Sie wurden von der Werbung den Bedürfnissen der Marktwirtschaft angepasst. Früher war es noch etwas anders: Spielzeugwerbung etwa war so dermaßen selten, dass ich immer froh war, wenn es mal welche zu sehen gab. Ging es dann dabei auch noch um „mein“ ersehntes Spielzeug, klopfte mein Herz noch lange nach…

Dann gab es damals so wunderbare Filme zu sehen. Jimmy Stewart in „Ist das Leben nicht schön“ oder „Jede Frau braucht einen Engel“ mit Cary Grant. „Wir sind keine Engel“ mit Peter Ustinov und anderen gesellte sich später noch dazu. Im Kinderprogramm gab es hier und da einen Bezug auf Weihnachten und Heiligabend selbst die „Weihnachtswartesendung“.

Freilich lebten damals auch noch mehr Familienmitglieder. Meine liebe Oma, mein Vater, meine Tanten und meine Onkel und mein Großvater. Mein Vater fehlt selbstverständlich sehr, so ganz gewöhnt man sich daran nie, wenn ein Elternteil gestorben ist… Aber „sein Geist“ ist anwesend. Meine Oma war um Weihnachten früher auch immer bei uns und ich genoss es, denn sie war besonders.

Familientreffen sind etwas, was der / die Einzelne höchst subjektiv wahrnimmt. Es wäre eine Lüge zu sagen, dass im Übermut der Feiertage nicht auch mal mehr oder weniger verletztende Worte gewechselt worden, aber Dramen – wie ich es von anderen Familien gehört habe – gab es bei uns nie.

Älter zu werden ohne zu erkennen, wie viel Berechnung seitens der Wirtschaft in Bezug auf Weihnachten vorherrscht hieße ewig Kind bleiben. Ein vielleicht schöner Zustand, doch ohne Entwicklung. Schade ist das, aber im Kleinen war das früher schon so. Na gut, es war viel kleiner früher….

Wie dann noch Weihnachten genießen? Je nachdem, wie fest man im christlichen Glauben ist, kann der Glaube selbst dazu beitragen. Glaubt man aus sich heraus, dann kann man Weihnachten vielleicht sogar am Meisten genießen und erkennen als das, was es wirklich sein soll.

Und dann erinnere ich mich noch an eine Geschichte meiner Tante. Sie war einmal recht verzagt, wie jeder Mensch mal verzagt ist. Da meinte ihr damals noch junger Neffe: „Dann mach es doch einfach mal so wie zu der Zeit als es dir gut ging! Mach doch mal alles so wie früher!“ Das fand sie sehr klug und ich finde es inzwischen auch sehr klug. Man muss nichts neu erfinden: Wenn ich mich früher mit Cary Grant gut unterhalten und in Stimmung versetzt fühlte, warum nicht heute? Wenn ich früher mit kleineren Geschenken zufrieden war, warum nicht heute? Usw. Usf.

Last but not least ist Dankbarkeit ein Schlüssel. Zählen Sie einmal auf, wofür sie im Moment dankbar sein können. Und wenn sie schon dabei sind, schreiben sie auch auf, was jetzt gerade, in der Weihnachtszeit, das ist, was sie am Meisten schätzen und mögen. Und dann geben Sie sich dem hin. Außer es ist Schokolade, da sollte die Waage eine Rolle spielen 😉

Ich wünsche allen Besuchern meines Bloggs eine schöne Vorweihnachtszeit und ein besinnliches Weihnachtsfest!

Des Matrosen Klage

Einsam, Sterne, blinken

sind so weit

weg, so weit weg.

Einsam, die Träume, glüh´n,

tief in mir, so tief in mir.

 

Das Schiff, es schaukelt in der Nacht,

„Gib´s Steuer her, ich übernehm die Wacht“

Kalter Wind, Regen, Eiskristalle, Schnee –

in mir nach einer Heimat tut´s sehnsuchtsvoll weh…

 

Weihnacht, einsam, Sehnsucht

das Meer ist rauh, doch heute raunt es still

mit meiner Seel,

heute raunt es still und spendet Trost,

weil Gott es will.

 

Keine Heimat, Freunde, keine Heimat,

das Herz zu wärmen,

mich erwartet niemand

nirgendwo…

doch das Meer, es raunt mit mir und tröstet so.

Der einsame Mann und die Waldfee

Es war einmal ein Mann, der hatte keine Frau. Da ging er in die Welt hinein, weil er eine Frau finden wollte. Er ging in die Stadt. In der Stadt sah er viele Frauen. Alle sprach er an und fragte sie, ob sie bereit wären, mit ihm zu leben bis an ihr Lebensende. Eine Frau sagte: „Wir können darüber reden, wenn du mir dein Geld gibst.“ Da ging er weiter. Die zweite sagte: „Ich werde bei dir bleiben, wenn du fortan nur noch rückwärts sprichst.“ Diese war so schön, dass er es versuchte, aber bald schon daran verzweifelte. Also trennte er sich auch von ihr. Die dritte Frau meinte, sie würde ihn nie lieben, aber bei ihm bleiben, wenn er wolle.

So ging es immer weiter. Er verlies bald verzweifelt die Stadt und zog ins Land. Auch hier begegnete er vielen Frauen. Die erste meinte: „Du kannst bei mir bleiben, wenn du jeden Tag um 3 Uhr aufstehst und bis spät abends arbeitest. Küssen freilich darfst du mich nicht, dafür ist keine Zeit!“ Die verlies er wieder, denn das Küssen war etwas, was er nicht würde missen mögen. Er zog weiter und sah eine, die sich in ihn verliebte, aber sie war ihm viel zu dick. Dann traf er eine, die viel zu alt war und so zog er verzweifelt weiter und kam in den tiefen, dunklen Wald.

Im unheimlichen Wald fühlte er sich gleich doppelt so einsam wie sonst. Da begegnete ihm eine Waldfee. Die Waldfee sagte: „Ich kann dir keine Frau backen, aber ich kann dir trotzdem helfen, wenn du mir drei Proben bestehst!“ „Also gut“, sagte er. „Nur her mit den Proben. Wo sind sie denn?“ Die Fee lachte und sagte: „Die erste Probe wird dich heute Nacht ereilen.“ Dann verschwand sie.

In der Nacht jedoch bekam der Mann Schüttelfrost und fühlte sich ganz krank. Er warf sich hin und her und klagte laut: „Hätte ich jetzt eine Frau, dann würde sie mich zudecken und mir einen heißen Tee machen!“ Da erschien, wie von Geisterhand, eine Decke und eine Kanne Wasser und Teekräuter und ein Teesieb jenseits eines Haufens Holz. Dabei lag auch noch eine Streichholzschachtel. Da stand der Mann schlotternd vor Kälte auf und setzte den Haufen mit dem Holz zusammen, machte sich ein schönes Feuer, nahm sich die Decke und goß sich den Tee auf. Als er den ersten Schluck tat – und sich plötzlich wieder ganz gesund fühlte – erschien die Fee und sagte: „Gut gemacht! Morgen folgt die nächste Prüfung!“

Am nächsten Tag begegnete er einem alten Mann, der mit seinem Pferdekarren durch das Land zog. Als dieser an ihm vorbei ratterte, hielt er an und sagte: „Hey, Du. Bist du nicht der Sohn von der alten Mutter, die oben am Bach wohnt?“ „Ja“, sagte er. „Warum sagst du das?“ Da kratzte sich der am Kopf und sagte: „Weil deine Mutter gestorben ist. Gestern erst. Ich dachte, ich sage es dir lieber.“ Dann ratterte er mit seinem Wagen weiter. Doch der Mann blieb da stehen und er wurde so traurig, dass er sich auf einen Stein setzen musste. Sein Herz wurde schwer und er begann zu weinen. „Wenn ich jetzt eine Frau hätte“, sagte er, „dann würde sie mich in den Arm nehmen und trösten.“ Plötzlich – auch, wenn es ihm seltsam vorkam – umarmte er sich selbst mit seinen Armen und in seinem Innersten hörte er die Stimme seines Herzens, die ihm sagte: „Sei nicht arm, du Lieber, alles wird gut!“ Und der Verstand sagte ihm: „Am Bach, da leben viele alte Mütterchen. Warte es doch erstmal ab, ob es wirklich dien Mütterchen ist.“ Da ging es ihm schon etwas besser. Die Fee erschien und nickte. „Gut gemacht. Morgen nun wird die letzte Probe folgen.“

Am nächsten Tag, da fand er den Weg hinaus aus dem Wald, doch der Weg wurde immer matschiger. Zu spät merkte er, dass er sich im Sumpf verloren hatte. Bald schon sackte er tief hinein und nur noch sein Kopf schaute heraus als er in der Ferne ein paar Leute sah. Er dachte noch: „Ach, wenn ich jetzt eine Frau hätte, dann könnte sie mich hinaus ziehen“ als er begann um Hilfe zu rufen. Die Leute merkten ihn und schoben ihm einen Ast zu und zogen ihn aus dem Sumpf. Die Fee erschien ihm abermals, aber nur er konnte sie sehen, und zwinkerte ihm zu. „Nun ist es egal, ob du eine Frau findest, denn du kannst dich um dich kümmern. Du kannst dich versorgen und trösten und auch um Hilfe bitten, wenn du sie brauchst. Das ist mein Geschenk an dich.“

Über diese Worte dachte der Mann noch lange nach als er sich auf den Weg zu seiner Mutter gemacht hatte, die übrigens tatsächlich noch lebte. Es war wirklich ein schönes Geschenk gewesen zu erkennen, wie er sich so um sich kümmern konnte.

Völlig unerwartet begegnete er dann auch bald seiner Frau. Als er ihr von den wundersamen Proben der Waldfee berichtete, musste sie lachen, denn auch sie hatte alle bestehen müssen, ehe sie ihn traf.

Sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende, aber vielleicht leben sie auch heute noch.

Ein viel zu heißer Tag (Western Mini Story)

von Matthias Wieprecht

Es war einer von diesen Tagen an denen einem der Schweiß über die Stirn rinnt, wenn man über ein schwieriges Thema nachdenkt. Die Kühe auf den Weiden muhten erschöpft. Einige waren schon an Hitzschlag gestorben. Der Hufschmied hatte es sich in einer kühlen Ecke seiner Werkstatt gemütlich gemacht, nachdem er die Preise auf der Aushang-Tafel dermaßen erhöht hatte, dass niemand es wagen würde, ihn zu belästigen, wenn nicht das Leben des Pferdes davon abhängen würde.

John Johnson stand auf dem Absatz des Hotels, direkt vor dem Saloon. Hinter ihm schwankten noch die Türen. Er spürte, wie ein Schweißtropfen langsam, dann immer schneller über seine Stirn, schließlich seine Nase kroch. Aus einer anderen Pore sprang ein weiterer Tropfen geradezu heraus und folgte dem Ersten. Seine Hose klebte jetzt schon widerlich. Zudem war ihm sehr mulmig in der Magengegend. Unsicher tasteten die Finger seiner rechten Hand nach dem Revolver in seinem Halfter. Wie er ihn fühlte, erinnerte er sich an seine Kindheit. Damals als Tom und er „Cowboys“ spielten. Mit Platzpatronen. Er hatte noch nie einen Menschen getötet. Heute würde er auf Tom, seinen Bruder, schießen müssen – oder selber sterben.

Molly Cartwright sah teilnahmslos aus ihrem Hotelzimmer herunter. „Was für ein Feigling“, dachte sie. Ihr war es egal, ob sie ihm oder seinem Bruder gehören würde. Der wilde Westen war ein hartes Pflaster. Nachdem ihre Eltern vor zehn Jahren nach Amerika gekommen und zwei Stunden nach Ankunft in Philadelphia von Wegelagerern erschossen worden waren, kam es ihr nur darauf an zu überleben. Niemand konnte ihr daraus einen Vorwurf machen. Niemand tat es. Tief in ihrem Innersten verachtete sich Molly Cartwright dafür, sich selbst aufgegeben zu haben, nur, um zu überleben.

„Du kannst es dir noch überlegen, Tom!“ sagte Pfarrer Brady. „Er hat sie beleidigt, Hochwürden, er meinte, sie würde ihn lieben!“ rief er wütend vor sich hin. Er war ganz in schwarz gekleidet. Ein Freudenfest wäre das heute nicht, nein, sicherlich nicht. Schwarz wäre gottgefälliger, meinte er, der er bei Pfarrer Brady sozusagen „in der Lehre“ war, denn viele Pfarrer gab es hier nicht. Brady war ein Ire von gesunder Gesichtsfärbung und natürlich roten Haaren, die sich um sein fleischiges Antlitz kräuselten. Für seinen gewaltigen Appetit war er doch recht schlank. Er hatte ein Feuer in seinen blauen Augen und auf der Kanzel konnte er so eindrucksvoll predigen wie Petrus selbst. Jedenfalls behaupteten das die Cowboys, wenn sie nach der Predigt in den Saloon gingen, um einen Whiskey zu trinken oder zwei, ehe sie heimkehrten. „Zu töten ist eine Sünde, Tom!“ rief Brady nun voller Zorn und mit weit ausgerissenen Augen. Tom sah ihm eine Weile in die Augen, dann blickte er zu Boden. „Dann beten sie für mich, denn meine Seele ist verloren“, sagte er und verlies, mit Gürtel, Halfter und Revolver das Haus.

„Die beiden Brüder waren früher unzertrennlich.“ erklärte der Barkeeper im Saloon dem Fremden, der an diesem Tag zufällig in die Stadt gekommen war. Er hatte das ganze Getuschel in der Stadt und besonders im Saloon bemerkt und offen nachgefragt. Der Fremde hatte einen gewaltigen Bart, der von weißen Strähnen durchdrungen war und der insgesamt gekleidet war wie ein Trapper. „Ich kenne sie schon lange. Ein Jammer, dass sie sich heute töten müssen.“ „Das ist wirklich ein Jammer“, sagte der Trapper und schüttelte den Kopf. „Und dann auch noch wegen einer Frau.“ „Was haben sie denn dagegen, sich wegen einer Frau zu töten?“ fragte ein junger Mann, der Sohn des Hufschmieds, trotzig und spielte mit der Hand an seinem Colt herum, doch der Nebenmann, John Hughes, der Gemischtwarenhändler, zog ihm seinen Hut tief ins Gesicht. „Dafür bist du noch zu grün hinter den Ohren!“ sagte er und alle lachten – außer dem Barkeeper. „Sie kenne die Beiden wirklich schon lange, was?“ sagte der Trapper, vielleicht um etwas Mitgefühl zu zeigen. „Sie saßen – als sie klein waren – da drüben am Klavier und spielten immer mit … oh, Moment mal!“ Dann holte er sich eine kleine Leiter und holte aus einem Nebenschrank eine Kiste hervor, die recht verstaubt war. Er öffnete sie und holte zwei Zinnsoldaten heraus. „Damit spielten sie! Hatten sie aus ihrer Heimat, aus England, mitgebracht.“

John Johnson sah Tom nur etwa 300 Meter entfernt. Spät war er nie gewesen. Er wusste ganz genau, dass er heute sterben würde und, so merkwürdig das auch klingt, machte sich am meisten Sorgen darum, ob er seinen Bruder verletzen würde.

Wenig später standen sie sich gegenüber. Im Staub, der sogar zwischen den Zähnen knirschte und den sich mit dem Schweiß des Körpers mischte, um wie eine zweite Haut auf Händen, Hals und Gesicht zum Liegen zu kommen. Tom und John sahen sich lange an. Jeden Moment war es soweit. Tom merkte plötzlich, dass es ein verrückter Fehler wäre zu schießen, John sah die Frau, die sich unter die aufkommende Menge von Zuschauern gemischt hatte, und ihm wurde plötzlich klar, dass er seine Liebe nie wirklich von ihr erwidert worden war!

Vielleicht wäre der Schuss gefallen. Aber dazu kam es nicht, denn der Trapper stellte sich zwischen die Brüder, in seinen Händen hielt er die Kiste mit den Zinnsoldaten.

„Sie stehen im Weg, Sir“, sagte Tom und wunderte sich über seine augenscheinliche Selbstsicherheit.

Der Trapper hatte eine laute Stimme. „Kommt her, seht euch das hier an und wenn ihr euch dann noch töten wollt, nur zu!“ sagte er.

Sie sahen sich die Zinnsoldaten an, sie staunten und lachten und verfielen in viele Erinnerungen, bis Tom sagte: „Heute ist es eh zu heiß für ein Duell, oder?“ „Ja, genau“, sagte John, „verschieben wir es auf … irgendwann.“

Molly Cartwright stand wütend und bebend vor ihnen.

„Was immer du brauchst – von uns bekommst du es nicht.“ sagte John.

Als John, Tom und der Barkeeper dem Trapper danken wollten, war er jedoch wie vom Erdboden verschluckt. Er war ein Geist, sagen die Einen. Er war ein guter Reiter, der keine Spuren hinterlassen konnte, sagten die Anderen. Aber seien wir ehrlich. Es blieb bis heute ein Rätsel, woher er kam und wohin er verschwand.

Das Bild – ein Gedicht

Ein Maler malt

Sein Bild ist weiß.

Die Zeit so reich.

Alles hat er vor sich.

Ein Maler malt.

Das Bild halb voll,

Die Zeit wird knapp.

Wird es je wie geplant?

Ein Maler malt,

Seine Haare weiß.

Die Zeit bald vorbei.

Er ruft seine Enkel.

Seht, das ist mein Leben.

Heute würde ich es anders malen.“

„Aber“, sagt der Enkel. „Die Farben strahlen so schön!“

Der Maler lächelt – halb in sich hinein.

Die Parkbank

Der Frühnebel wurde sanft von den Sonnenstrahlen des Morgens vertrieben. Ich stand da, wo man im Park genau auf den Fluß sehen konnte. Rechts und links von mir waren Bäume. In der Ferne tummelten sich wenige Menschen, die noch zu dieser frühen Stunde joggen wollten. Ich setzte mich auf die Parkbank, die direkt vor mir stand. Wie schön war das Glitzern des Wassers in der Sonne!

Hätte ich mich doch nur nicht so einsam gefühlt. Der Soundtrack meines Lebens fühlte sich an wie ein Moll – Stück von Mahler oder das Adagio von Samuel Barber. Dabei mochte ich doch auch Jazz recht gern! Ja, wie wäre es wohl, wenn meine Lebensmelodie jazzig wäre?

Mein Bein schmerzte wieder. Es war ein auszuhaltender Schmerz. Ein ärgerlicher Schmerz, aber keiner, der mir den schönen Morgen verderben konnte. Chronische Schmerzen sind einfach ein Elend. Die Gesunden, wie ich alle Menschen ohne chronische Erkrankungen nannte, wussten gar nicht, wie gut es ihnen ging.

Ein Vogel landete vor mir auf dem Boden. Er sah sich keck um und suchte wohl nach einem Wurm, fand aber keinen. Er sah klein und einsam aus. Vielleicht projezierte ich meine Befindlichkeit aber auch nur auf den kleinen Vogel. Mein Gott, mein Psychiater, Dr. Rogers, hätte seine Freude gehabt. Ich identifizierte mich mit einem kleinen Vogel!

Eine junge Frau lief auf meine Parkbank zu, setzte sich hin. Sie trug Ohrstöpsel, atmete schwer, woraufhin sich natürlich ihre Brust hob und senkte. Es war wie in einem billigen Liebesroman und ich spann die Gedanken weiter.

„Entschuldigen sie, haben sie ein Kaugummi?“

„Ja, ich habe tatsächlich ein Kaugummi. Hier. Woher kommen sie?

Aber sie hatte Ohrstöpsel in ihren Ohren. Ich sprach einfach trotzdem, wollte Dr. Rogers stolz auf mich machen, wenn ich ihm von diesem kleinen Experiment erzählte.

„Wollen wir irgendwo einen Kaffee trinken gehen?“ rief ich sie an. Sie zog einen Stöpsel aus dem Ohr. „Sorry? Kaffee? Ne, danke, trinke nur Wasser.“

„Aber …ich kann Ihnen auch ein Wasser ausgeben!“

„Sie wollen ja nur mit mir im Bett landen. Danke nein. Tschüß Opi!“

Dann lief sie weg.

Ich betrachtete das glitzernde Wasser.

„Opi“, sagte ich vor mich hin. „Was denkt sie, wer ich bin? Ich bin 48, nicht 480!“ Es beschäftigte mich noch sehr, aber ich lobte mich dafür, sie angesprochen zu haben. Dr. Rogers hätte jetzt einen Grund, mir weiterhin zu sagen: „Warten sie es doch einfach ab, das wird schon!“ Mir war natürlich klar, dass Rogers für mich log und nett war. Das war an sich schrecklich, aber ich mochte es. Es hielt mich manchmal aufrecht.

Eine ältere Dame setzte sich neben mich. Ihre verwässerten, blauen Augen waren sicher einmal wunderschön gewesen. Überhaupt konnte ich in ihr das schöne Wesen entdecken, dass sie einmal gewesen war.

„Darf ich ihnen eine Frage stellen?“

„Gewiss doch, junger Mann!“

Junger Mann! Die Frau hatte jetzt schon einen Pluspunkt bei mir gewonnen.

„Warum ist es heute so schwierig, eine Frau kennenzulernen.“

Die Frau sah mich nachdenklich an, schaute an mir hinauf und herab, dann setzte sie sich etwas zurück, fasste dabei ihre Handtasche wie ein Kind einen Teddy greifen würde, wenn es etwas möglicherweise „Verbotenes“ sagen wollte, aber dann sagte sie es:

„Veränderungen, wenn sie mich fragen. Früher konnte man jemanden beim Tanz-Tee kennenlernen, später in der Disco. Aber diese Zeiten sind vorbei. Der Kommerz hat alles im Griff. Die Partnerschaftsportale im Internet zum Beispiel. Hauptsache Geld verdienen – mit allen Bedürfnissen dieser Welt. Das haben wir vom totalen Kapitalismus.“

„Sind sie links eingestellt?“ fragte ich sie und sie lachte herzlich.

„Links und jüdisch bin ich auch.“ lachte sie herzlich.

Wir lachten beide, obwohl ich gar nicht so recht verstand, warum. Es war vermutlich ihre heitere Art, die sie sich im hohen Alter noch bewahrt hatte.  Dann sah sie flüchtig auf ihre Uhr.

„Ich muss nun leider weiter. Ein Arzttermin…“

Ich wünschte ihr einen schönen Tag.

Dann stand ich auf und ging zum Ufer des Flusses. Die Sonne war nun höher gestiegen und begann heiß auf die Erde hinabzuscheinen. Der Verkehr in der Ferne war lauter geworden. Ich konnte Autos sehen, die scharenweise an die Ampeln fuhren und dann weiter, immer weiter. Ich pfiff vor mich hin, wobei ich an die lebensfrohe Dame dachte, mit ihrer linken Einstellung.

Dann setzte ich mich wieder auf die Bank. Eine Weile setzte sich niemand mehr dazu.

Es mochte so gegen 13 Uhr gewesen sein als ein Schuljunge kurz auf der Bank Platz nahm. Er mochte so 12 Jahre alt sein. Er war dunkelblond, leicht untersetzt und hatte ein schönes, pfiffiges Gesicht.

„Sag mal, darf ich dich was fragen.“

„Fragen sie doch“, sagte er.

„Ist es in deinem Alter auch schwer, eine Fr… ein Mädchen kennenzulernen?“

Der Junge wurde rot und starrte auf den Fluß. Dann stand er schnell auf und ging zehn Schritte weiter, ehe er sich umdrehte und sagte: „Erstens soll ich nicht mir Fremden reden und … ja na klar ist das schwierig. Wenn man ihnen sagt, dass man sie mag, sind sie gekränkt, wenn man es nicht tut auch.“

Dann ging er schnell weiter.

Vielleicht hatte er ja Recht. Aber waren alle so?

Ich unterbrach den Tag indem ich den Park kurz verlies und mir einen Hamburger kaufte. Nicht gesund, aber jetzt genau richtig. Dann kam ich zurück zur Bank und sah schon aus der Ferne, dass sich ein Pärchen in den zwanzigern darauf gemütlich eingerichtet hatte. Sie küssten sich leidenschaftlich und hemmungslos. Ich war voller Neid und Faszination. Mein Gott, dass musste so schön sein!

Dann sahen sie zu mir herüber.

„Geh weg, du alter Spanner!“ rief der Mann. Ich ging und streunerte noch etwas länger über den Park. Wie vielen Menschen ich da begegnete! Müttern mit Kinderwagen, Leute in Rollstühlen, Anzugträger und immer wieder Jogger. Ich kehrte in einem kleinen Kaffee ein, dass sich gegenüber dem Parkeingang befand.

Direkt als ich es betrat, bezog sich der Himmel und es begann zu regnen. Mir fiel gleich die Frau direkt am Nebentisch auf. Sie trug ihre schwarzen Haare zu einem Pferdezopf gebunden und sah immer wieder unschlüssig zum Fenster.

„Darf ich ihnen etwas ausgeben?“ fragte ich sie.

Sie sah mich verwirrt an, meinte dann distanziert, aber nicht unfreundlich: „Nein, danke. Mein Bus kommt jeden Moment.“

Ich nickte und bestellte einen Kakao.

Ihr Bus kam rasend schnell. Das Wetter wurde wieder sonnig und ein Regenbogen erschien am Himmel, der wirklich beeindruckend aussah. Vielleicht, dachte ich, würde er bedeuten, dass ich nun die richtige Frau für mein leben finden würde?

Ich ging wieder zurück zu der Parkbank. Sie war abermals leer. Der Himmel wurde schon etwas dunkel, ich konnte sogar den Mond schon entdecken, obwohl es erst später Nachmittag war. Nun setzte sich abermals eine Frau neben mich. Auch sie trug ihre Haare zu einem Pferdeschwanz, aber sie hatte blonde Haare. Ich sagte nichts, sie auch nicht. Ich genoss diese Ungewissheit und die damit verbundene Möglichkeit, keinen Korb zu bekommen.

ENDE

Nur ein Träumer

Märchen von Matthias Wieprecht

Es war einmal vor langer, langer Zeit, da lebte ein Bauernjunge, sein Name war Jonathan, der mit seinem Leben nichts Rechtes anzufangen wusste. Immer träumte er, Tag ein, Tag aus, davon ein Ritter in einer goldenen, glänzenden Rüstung zu sein. Er stellte sich vor, wie er gegen Drachen kämpfen und Jungfrauen befreien würde oder wie er mit der Kraft seiner Liebe diese Welt zu einem besseren Ort machen könnte.

Aber ach, das gefiel seinem Großvater, bei dem er lebte, so gar nicht. Er schlug ihn immer, wenn sein Blick versonnen in die Ferne schweifte. „Wirst du wohl aufpassen!“ mahnte er ihn dann mit strenger Stimme. Auf dem Feld nahm ihn der Großvater besonders hart ran und wenn Jonathan nach dem kargen Abendessen ins Bett fiel, fühlte er sich halb tot an. Dann schlief er schnell ein und begann wieder zu träumen.

Sein Leben bestand aus Arbeit und aus Träumen und hätte man ihn gefragt, wo er am Liebsten lebte, dann wäre seine Antwort gewesen: „In meinen Träumen!“.

Freunde hatte Jonathan schon lange nicht mehr. Damals als seine Eltern noch lebten, da hatte er ein paar großartige Freunde, aber die lebten weit weg in einer anderen Stadt und er ging davon aus, sie niemals wieder zu sehen.

Eines Tages nun starb aber sein Großvater und John, wie ihn seine Mutter stets genannt hatte, weinte bitterlich. Er fühlte sich ganz verlassen und merkte schnell – als ihm der Magen zu knurren anfing – das er alleine von Träumen nicht leben konnte. Hatte der Großvater vielleicht Recht gehabt? Waren seine Träume, wie er selbst, zu nichts Nutze? Mit diesen Fragen begann ein großer Kummer in ihm zu wachsen, während er sich bemühte, das Land seines Großvaters alleine zu bewirtschaften.

Tage und Nächte vergingen, die Sonne kreiste am Himmel um das Erdenrund viele Dutzend Male und wechselte sich mit dem Mond ab, während aus Jonathan, dem Träumer Jonathan der Bauer wurde.

Er hörte bald auf zu träumen und fühlte sich dabei als wäre er nur noch zur Hälfte lebendig, aber die Leute achteten ihn nach drei Jahren als ehrbaren Nachbarn und Bauern, als einen Mann, der zur Vernunft gekommen wäre und dem Ernst des Lebens begegnete, wie es gottgefällig sei.

So wäre sein Leben wohl weiter verlaufen wie das seines Großvaters, wäre da nicht jener schicksalhafte Tag gekommen an dem ihn jene schwarzen Ritter besuchten. Es waren fünf Ritter in schwarzer Rüstung, die allesamt stanken, weil sie sich ewig nicht gewaschen hatten. Sie hatten keine Manieren, nichts an ihnen glänzte und sie forderten von John Unterkunft und Verpflegung. Während er mit ihnen schließlich, innerlich aufgebracht, beim Abendbrot saß und zusehen musste, wie sie seinen Vorrat für das nächste halbe Jahr auffraßen – denn „speisen“ konnte man das nicht nennen, wie sie da mit spuckendem Mund aßen und beim Trinken sabberten – begann der Anführer von ihnen, Fragen zu stellen.

„Ist hier in den letzten Tagen jemand vorbei gekommen?“ fragte er und John verneinte. Aber der Mann lies nicht locker. „Solltest du wen verstecken, wirst du deinen nächsten Geburtstag nicht mehr erleben, ist das klar?“ John nickte.

Am nächsten Morgen, John hatte bei den Schweinen geschlafen und ihnen das Haus überlassen müssen, ritten sie weiter. „Endlich“, sagte er sich. „Und es ist wieder mal ein Beweis dafür, wie töricht meine Träume gewesen sind, die ich früher hatte. Ritter sind elend, nicht ruhmreich.“

Nun hätte es so bleiben können, doch diese Begegnung war nur das Vorspiel. Am Abend jenes Tages nämlich klopfte es an seiner Tür. Er öffnete sie und alles veränderte sich für ihn in diesem Augenblick. Vor ihm stand nämlich Prinzessin Amelia Lightheart. Nein, er wusste nicht, dass das ihr Name ist, aber er erkannte, dass von ihr eine Warmherzigkeit ausging, die direkt sein Herz berührte. War dieses beim Anblick der schwarzen Ritter schwer und kalt geworden, fühlte es sich nun groß und weit an.

Amelia sah ihn ebenfalls lange an und lächelte. Dann sagte sie: „Könnt ihr mich verstecken?“ Da wurde John alles klar.

„Ihr seid es? Ihr seid die Person, hinter denen die Ritter her sind?“ Die Prinzessin fasste sich an ihr Herz und sah sich um wie ein in die Enge getriebenes Reh. „Das tut mir so leid, Junge. Ich wollte Euch nicht in Schwierigkeiten bringen! Ich dachte, sie wären noch lange nicht hier angekommen, doch nun werden sie Euer Haus beobachten. Ihr seid nicht mehr sicher!“

„Ich bin kein Junge mehr!“ protestierte John. Daraufhin sah Amelia ihn abermals an. „Nein, das seid Ihr wirklich nicht mehr. Nun gut. Ich werde gehen. Bitte verratet mich nicht. Es geht um Leben und Tod!“

„Ist gut…“ stammelte John, verwirrt ob der Schnelligkeit der Ereignisse, von denen er nicht wirklich wusste, was er davon halten sollte. Schon schloss Amelia die Tür und dann hörte er sie bald davon reiten.

In der folgenden Nacht konnte John lange nicht einschlafen. Schließlich stand er auf und ging in seinem Wohnzimmer auf und ab. Da sah er plötzlich, wie sich vor ihm ein Licht formte, das immer größer wurde. Als es plötzlich verschwand, fiel ein Schwert scheppernd zu Boden. Ein blaues, gleisendes Licht ging davon aus. Der Griff war schwarz, durchzogen von silbernen Verzierungen.

Aus dem Nichts ertönte die Stimme seiner Mutter. „Traue deinem Herzen, John“, raunte sie ihm zu. „Mutter?“ rief er und und sackte auf seine Knie, während eine Träne über seine rechte Wange lief. Da war immer noch das Schwert vor ihm. Was sollte er tun?

„Oh mein Gott“, sagte er laut und begann zu weinen. „Ich habe alles getan, wie Großvater es wollte! Ich habe es geschafft ein ehrbarer Bauer zu werden. Warum prüfst du mich jetzt so? Das ist nicht Recht!“

Nun hörte er die Stimme seines Vaters.

„Heb das Schwert auf, mein Sohn. Sonst werden wir uns sehen, ehe es Zeit dafür ist!“

Da fühlte er, wie eine Welle von Angst über ihn kroch noch bevor er das Huftrappeln draußen hören konnte. Schon standen die schwarzen Ritter vor ihm.

„Wir sahen die Spuren!“ sagte deren Anführer, nachdem er die Tür zu Johns Häuschen aufgebrochen hatte. Zwischen dem Ritter und John lag immer noch das blau leuchtende Schwert.

„Hebe es auf!“ hörte er abermals die Stimme seines Vaters, die nun eindringlicher klang.

Dann griff er entschlossen zu und das Licht des Schwerts wurde so gleisend hell, dass die schwarzen Ritter ihre Augen verbergen mussten. John jedoch konnte alles gut sehen und lief hinaus, wo er sich auf eines der Ritter – Pferde schwenkte um im Galopp davon zu reiten. Wie lange war es her, dass er von Vater und Mutter das Reiten gelernt hatte?

Doch zum träumen von alten Zeiten gab es keine Gelegenheit, schon waren die schwarzen Ritter hinter ihm her, wenn auch nur vier davon, weil sie Einen wegen des gestohlenen Pferdes zurücklassen mussten.

John kannte nur den Weg zwischen dem Bauernhof seines Großvaters und der Stadt, in der er versuchte, Brot oder Eier zu verkaufen. Der Wald auf den er nun zusteuerte war ihm fremd und er sah überraschend bedrohlich aus. Die schwarzen Ritter hinter ihm sahen allerdings auch überaus bedrohlich aus.

So ritt er tief in den fremden, dunklen Wald hinein. Jeden Moment, den er tiefer in den Wald geriet, schien ihm dieser noch fremder und furchterregender zu werden. Bald klopfte ihm sein Herz bis an den Hals, aber nicht, weil es ihm so anstrengend gewesen wäre zu reiten, sondern weil seine Angst nahe daran war, ihn zu übermannen.

Da erschien ihm ein Glühwürmchen, das erst ganz klein war, sich dann aber als Fee herausstellte, die hell und lächelnd vor ihm her schwebte. Sie bedeutete ihm, ihr zu folgen. John traute sich nicht, etwas zu sagen, war aber sehr dankbar für die Hilfe der Fee, deren Existenz er nicht mehr anzuzweifeln wagte. Schließlich blieb die Fee an einem Punkt im Wald in der Luft stehen und deutete nach vorne in die Richtung einer Burgruine. John nickte dankbar und die Fee fuhr ihm streichelnd über eine Wange. „Träumer!“ sagte sie liebevoll und verschwand so schnell wie sie erschienen war.

Es mag nicht verwundern, dass John in der Burgruine die Pinzessin Lightheart vorfand, die sich dort versteckte. Doch die schwarzen Ritter waren ihr auf der Fährte. Weit entfernt hörte man das Knacken von Holz im Wald und das laute Fluchen der Ritter, denen möglicherweise ganz andere Wesenheiten begegneten als freundliche Feen.

„Wieso sind die hinter Euch her?“ fragte er die Prinzessin als er sie erblickte. Doch sie antwortete: „Das ist nicht Euer Kampf, Bauer.“

„John. Nennt mich John.“ antwortete Johnathan.

„Also gut, John, dies ist nicht Euer Kampf!“

„Vielleicht ist er es ja doch. Seit meiner Kindheit habe ich von all diesem hier geträumt!“

„Und vielleicht seid ihr nur ein Träumer, der lieber auf sein Leben achten solle!“ meinte Prinzessin Amelia Lightheart.

Das traf ihn tief und er fragte sie: „Meint ihr das wirklich?“

Ehe sie jedoch antworten konnte, brachen die Ritter aus dem Wald hervor und griffen an. Es ist unglaublich, wie gut John mit dem verzauberten Schwert kämpfen konnte. Als der erste schwarze Ritter am Boden lag, ergriff auch Amelia ein Schwert und sie kämpften Seite an Seite. Der Mann jedoch, den die schwarzen Ritter zurückgelassen hatten, war ihr Anführer. Dieser ritt nun auf einem scheußlichen, Zähne bleckenden, Drachen und schleuderte einen Morgenstern. Immer wieder flog er knapp an John und Amelia vorbei und versuchte, sie zu treffen. Schließlich kam er so nahe, dass er Amelia einen empfindlichen Schlag versetzen konnte, so dass sie zu Boden stürzte, mit einer klaffenden Wunde an ihrer Stirn. Johnathan konnte den Anführer der Bande zwar von seinem Drachen reißen, der davon flog, sobald sein Reiter ihn verlassen hatte, aber für den Moment war es John klar, dass diese Prinzessin, die er kaum gekannt hatte, tot war.

Kummer und Wut sorgten dafür, dass er nunmehr überwältigend und kraftvoll gegen den Anführer der Bande antrat, der wie eine Katze mehrere Leben zu haben schien. Endlich, endlich besiegte er ihn. Dann setzte er sich neben die Leiche von Amelia. Er wusste genau, was er tun musste, ohne es zu verstehen. So berührte er sein Herz und zog daraus einen goldenen Faden Energie. Das hatte er noch nie getan, außer in seinen Träumen. Er zog diesen Faden bis zu ihrem Herzen, dass prompt wieder zu schlagen begann. Die ganze Farbe, die ihrem Antlitz entwichen war, kehrte nun zurück, sie begann wieder zu atmen.

Das hatte auch ein anderer gesehen, den John gar nicht bemerkt hatte. Es war König Sorrov von Kardyll, der Vater von Prinzessin Amelia. Stolz saß er auf seinem Pferd, während unendliche Dankbarkeit in seinen Augen schimmerte.

„Du hast ihr das Leben gerettet!“ rief er und auch die Ritter in seinem Gefolge erstarrten vor Ehrfurcht vor seiner einmaligen Tat. „Wie ist dein Name, sprich!“

„Das ist John, Vater….“ sagte die Prinzessin mit gebrochener Stimme. „Er ist ein Bauer.“

Da schüttelter der Vater den Kopf.

„Von heute an wirst du Sir John Savior heißen. Willst du uns zum Hofe von Kardyll begleiten? Du wirst dort von der ganzen Tragweite deiner guten Tat erfahren. Und, wenn du willst, werde ich dich zum Ritter schlagen.“

Natürlich wollte John das.

Nach wenigen Tagen bei Hofe wurde es John und Amelia klar, dass sie füreinander bestimmt waren. John erkannte, dass es sein Schicksal gewesen war zu träumen. Nicht die Stimmen fremder Stadtbewohner, sondern seine Träume wussten immer, was in ihm steckt.

Und dann erfuhr er, dass sein Schicksal erst gerade begonnen hatte sich zu erfüllen, denn das Böse war noch lange nicht vernichtet, das Gute noch lange nicht in Sicherheit. Aber das ist eine andere Geschichte…

Inner hero

Ich bin dabei einen Song für Gitarre zu komponieren. Er hat in Etwa den folgenden Text. Er entstand, weil ich erkannt habe, wie wesentlich es für unser Leben ist mit was für Menschen – begonnen bei der Familie – wir zusammentreffen. Menschen, die uns Vertrauen schenken oder solche, die an uns zweifeln.

Selbst, wenn man sich selbst vertraut, was ja dann wohl Selbstvertrauen ist, können solche Menschen in der Umgebung so schädlich sein wie Trinker für einen Ex-Alkoholiker. So ist es unmöglich aus seinen Mustern auszubrechen.

Und dann ist es noch ein Gruß an mein inneres Kind, den Matthias, der ich schon mit jungen Jahren war.

Inner hero

(Lyrics to a song by Matthias Wieprecht)

I believe in my inner hero,

I know he is so full of strength.

I know he can fly and look through walls

and he can stand all challenges.

 

I believe in my inner hero,

I know his heartful smile,

I know his courage and loyalty,

I trust him with my life.

 

But I know, the people,

what they alwys said…

He ist just a dreamer“,

He is so wrong!“

But

I believe in my inner hero,

I know his heartful smile,

I know his courage and loyalty,

I trust him with my life.

Kein Märchen

Mit großen, weiten Augen sah das Kind seinen Vater an. Sie waren die letzten ihrer Art und würden wohl auch nicht mehr lange leben.

„Warum habt ihr damals nichts getan?“ fragte das Kind. „Waren die Zeichen in der Welt nicht deutlich genug?“

Der Vater seufzte tief.

„Wir waren eine Gesellschaft, die von vielen Ablenkungen betäubt war. Das Wesentliche, das Leben selbst, wurde von uns schon lange für den Wert des Geldes eingetauscht. Das war einfach so.“

„Ich hätte gerne die Zeit erlebt als man noch aus den Flüssen trinken konnte.“

„Und ich hätte sie dir gerne gezeigt, diese Flüsse. Sie waren aber schon zu meiner Kindheit voller Gift, Plastik und, kurz, man hätte das Wasser auf jeden Fall abkochen müssen. Naja, ich hätte es auch dann nicht getrunken.“

„Du wolltest mir aber erklären, warum niemand etwas getan hat. Was hat eure Regierung getan, bevor es zum Krieg kam?“

Der Mann musste lachen. Es war ein bitteres Lachen.

„Sie befassten sich damit, eine große Koalition zu bilden.“

„Was meinst du damit?“

„Nun, damals waren viele Parteien in einem ungewöhnlichen Verhältnis zueinander gewählt worden und nun mussten sie sich einigen, wer regieren soll und wie. Dabei wurden sie sich nicht einig.“

„Aber bestimmt haben sie trotzdem gemerkt, dass die Spannungen zwischen den Kriegs-Entscheidern immer größer wurden, oder?“

„Es schien ihnen nichts auszumachen. Der amerikanische Präsident, der so undiplomatisch war wie kaum einer seiner Vorgänger, wenn überhaupt, reizte seine Gegner ständig. Diese Feinde hatten eine eigene, merkwürdige Weise von Macht.“

„Wie in Star Wars?“

„So ähnlich. Wenn Menschen, die von Macht besessen sind die politische Führung übernehmen, ist das sehr gefährlich.“

„Ich sehe es.“ sagte das Kind und blickte traurig über den Leichenteppich in den verstaubten Straßen. Die Häuser waren stehen geblieben, aber die Menschen waren hinweggefegt worden.

„Hat denn niemand begriffen, dass es um das Leben ging?“

„Niemand sah es als echte Bedrohung. Es lag jenseits unserer Vorstellungskraft. Niemandem haben wir den Wahnsinn zugetraut, die erste Rakete zu zünden. Niemandem. Und dann waren wir abgelenkt. Vom Alltag, vom Internet, von faszinierenden Techniken, dutzenden von Fernsehprogrammen und davon zuzusehen, wie unsere Regierung sich formen wollte.“

„Und sonst in der Welt? Niemand hat etwas gesagt oder getan?“

„Der Papst hatte gesagt, dass er wirklich Angst vor einem Krieg hätte. Nicht, dass ich die Kirche so toll fand, aber das ist jetzt auch egal. Er war der einzige an den ich mich erinnern kann. Ach so, Stephen Hawking auch. Irgendwie hörten wir nie auf die klugen, weisen Menschen. Wir lebten so wie die Gorillas im Dschungel. Wer am lautesten brüllen konnte, sich am Besten darstellen konnte, dem wurde zugehört und applaudiert, der wurde gewählt. Es gab Ausnahmen. Aber das waren eben… Ausnahmen.“

Sie schwiegen eine Weile. Dann sah das Kind ein Buch auf dem Boden. Ein Märchenbuch, Staub bedeckt. Sie nahm es, schüttelte den Staub ab und gab es ihrem Vater.

„Wenn du kannst, würdest du mir ein Märchen vorlesen?“

„Jetzt?“

„Papa, wir werden bald tot sein und ich will wenigstens noch einmal so tun als wäre alles wie früher, so normal!“

Der Vater lächelte. Der Gedanke gefiel ihm. Natürlich war es unter seinen Schmerzen und anbetracht des Todes um sie herum unmöglich so zu tun wie früher. Aber es war einen Versuch wert.