Nostalgia oder: Nicht die letzte Erinnerung an Aschenbrödel

Unser Leben ist schneller geworden, hektischer. Durch den Segen unserer Smartphones sind wir stets verfügbar, auf Abruf. Früher hat man Leute mit „Pieper“ teils bedauert, weil sie keine richtige Ruhe finden konnten. Heute haben wir alle einen. Für ständige Ablenkung ist gesorgt. Facebook? Mails? Spiele? Amazon? Was immer es ist, wie gut auch die Internetverbindung gerade ist, „wir“ sind auf jeden Fall online. Ständig.

Gleichzeitig sind die Straßen von tausenden von Autos gefüllt und die Mentalität der Menschen entspricht mehr denn je dem Lied von Herman van Veen, welches er einmal sang: „Schnell weg da, weg da, weg!“

Der Holländer hat schon in den 70iger Jahren die ständige Eile, das ständige besser und schneller sein, kritisiert.

Dabei ist es natürlich nicht die Zeit, die schneller wird, sondern das, was wir in diese Zeit quetschen wollen.

Wer über das „Jetzt“ meditiert, einfach mal mit seiner Aufmerksamkeit im „Hier und Jetzt“ verweilt, wirkt wie ein altes Überbleibsel aus einer Zeit, in der man wohl eben mehr Zeit hatte.

In so einer Zeit wurde ich groß. 1969 geboren geriet ich gerade noch so in die Vor-Digitale Zeit. Was „wir“ damals mit unserer Zeit anfingen, kann ich nicht sagen. Aber natürlich, was ich damals damit anfing. Als Kind hatte ich viel Fantasie und viele meiner Freunde auch (wenn sie mal Zeit hatten, was immer schwierig war). Aber egal ob alleine zuhause Fantasiegebäude aus Lego erzeugt wurden, der Spielplatz zu Brücke und Planeten einer neuen „Raumschiff Enterprise“ – Folge wurde (oder der Wald zu einem „Mondbasis Alpha“ – Planeten), wir waren viel draußen. Lebten in gewisser Weise viel im hier und jetzt.

Ich habe zwei Söhne, habe ihre Grundschulzeit begleitet und bemerkt, wie selbst dort die Leistung im Vergleich zu damals anzog. Gerade aus dem Kindergarten gepurzelt mussten sie ihre Hausaufgaben selbst organisieren. Nicht als Versuch, sondern als zu benotende Fähigkeit. Richard David Precht bemengelte es schon viel umfassender als ich es könnte: Unser Schulsystem basiert auf Angst. Angst vor schlechten Noten, Angst davor auf der Strecke zu bleiben – speziell im Vergleich zu anderen. Das „sich mit anderen vergleichen“ führt einen jedoch von sich selbst weg, was – wie Psychologen wissen – eine Voraussetzung für Ängste, Minderwertigkeitsgefühlen und mehr werden kann.

Warum ich das alles schreibe ist etwas ganz Anderes. Ich fand eine Musik aus meiner Kindheit. Die Musik von Karel Svoboda zu dem (Vorweihnachts-)Kultmärchen „Drei Nüsse für Aschenbrödel“. Als ich diese Musik hörte, erwachte (nicht zum ersten Mal in meinem Leben) wieder einmal die Begeisterung für jene tschechischen Märchen!

Das zarte Stück, welches „Aschenbrödel“ bezeichnet, die triumphalen Klänge rund um den Hofstaat mit König und Königin sowie Prinzen an der Spitze… einfach herrlich! Das brachte mich dazu, wieder einmal die erste Folge der Serie „Die Märchenbraut“ zu sehen, in der – wie auch im Aschenbrödel – Vladimir Mensik (1929 – 1988) – eine wichtige Rolle spielt. Diese Filme haben Witz und Fantasie, aber vor Allem ein Herz für Kinder im besten Sinne. Auch ein Herz für die Kinder, die wir einmal waren übrigens.

Als ich mich damit befasste, dachte ich nicht nur daran, wie ich diese Filme als Kind sah, ich sah mich auch gleich vor meinem geistigen Auge im „Vor-Klimawandel“-Winter spielen. Dick eingepackt im hohen Schnee mit meinen Freunden wie verrückt spielen, durchnässt nach Hause kommend, mit roten Wangen und triefender Nase. Es war herrlich! Die Erinnerung an meine Kindheit, die ohne Smartphone und PS4 ablief, bringt mir auch heute noch, ein Gefühl für das „im Moment“ sein. Ein äußerst gesundes Gefühl, das sich wirklich gut anfühlt.

Kein „weg da, weg da, weg!“

Gut so!