Der Weg nach Westen – Classic Selection – Western von Concorde auf BD

Drei große Namen

Einen Western mit Kirk Douglas, Robert Mitchum (zusammen mit seinem Bruder John) und Richard Widmark zu sehen, das klingt für einen alten Western – Fan großartig. Dies ist auch der einzige Western, in dem alle drei Filmgrößen gleichzeitig vorkommen. Sally Field, die spätere Oscar – Gewinnerin, hat ihr ebenfalls eine ihrer ersten Rollen. Und Jack Elam zu sehen, ist immer eine Freude.

Ich will auch gleich vorwegnehmen, dass die drei genannten Schauspieler ihren Job sehr gut machen. Die Landschaftsaufnahmen sind spitze und kommen erst Recht in der höheren Auflösung der BD so recht zu Geltung. Hier wurden schon im Original keine Kosten gescheut und der Kameramann wusste, was er tat.

Was nun die erzählte Story angeht, bin ich leider nicht so überzeugt.

Missouri 1843: Nach dem Tod seiner Ehefrau hält Senator Tadlock nichts mehr in seiner Heimat. Seinen Traum vom Neuanfang setzt er um, in dem er einen Trek nach Oregon plant, wo er eine Stadt ganz nach seinen Vorstellungen errichten will. Als Scout setzt er den erfahrenen, aber in die Jahre gekommenen Trapper Dick Summers an, der anfangs den Job nicht annehmen will. Doch bei der gefahrvollen Reise bietet er dem unerbittlichen Tadlock mehr als einmal die Stirn.
Werden die Siedler die Strapazen und Gefahren von Fluss- und Wüstendurchquerungen, Indianerangriffen und allerlei Zwischenmenschlichem überstehen und das gelobte Oregon erreichen?

Eine Menge Patina und undfreiwillige Komik

Der Film richtet sich lose nach dem Roman gleichen Namens, von Alfred B. Guthrie Jr., für den er 1959 den Pulitzer – Preis erhielt. Der Original – Roman umfasst beinahe 400 Seiten, denen der Film auch in seinen 122 Minuten nicht gerecht werden kann.

Beispiele für meine Kritik:

Während Senator Tadlock (Kirk Douglas) veruscht, Dick Summers (Robert Mitchum) zu überreden, den Trek zu begleiten, gibt es keinen Moment, in dem man merkt, dass Summers überzeugt ist. Er kommt einfach „trotzdem“ mit, wirkt gleichmütig, hält sich aus vielem raus, was nicht unsympathisch ist. Jedoch erfährt man nicht, was ihn am Ende überzeugt hat, mitzukommen.

An einer anderen Stelle im Film wird eine Kuh von einem Pfeil getroffen, steht aber noch eine Sekunde da, ehe sie dann, seltsam steif, seitlich umkippt, was ulkig wirkt. An anderer Stelle ertrinkt ein Mann auf eine äußerst unspektakuläre und schwer nachvollziehbare Weise. Ein Indianer Kind wird aus Versehen erschossen, ein anderes stirbt durch einen vermeidbaren Unfall und selbst dessen Grab wird dann noch quasi, begründet durch einen gemurmelten Nebensatz, „geschändet“. Als Summers sich von einem anderen für seine Fehler auspeitschen lässt, wird der Film noch skurriler. Von der psychotischen Frau, die passiv wie aktiv manches Unheil anrichtet, will ich gar nicht erzählen.

Verschenktes Potential

Das, was erzählt wird, beinhaltet dramatisches Potential, welches aber nicht feinfühlig und pointiert umgesetzt wird. Stattdessen werden viele kleine Geschehnisse des Treks aneinandergereiht, einige lose verbunden, andere willkürlich und ohne große Betroffenheit der übrigen Begleiter. Möglicherweise wollte der Regisseur, Andrew V. McLaglen, somit erreichen, die willkürliche Mitleidlosigkeit der grausamen Seite des „wilden Westens“ zu unterstreichen. Dies gelingt aber nur teilweise.

Für einen Familien – Western ist dieser Film, manchmal komisch und manchmal bizarr, zu brutal (FSK 12), für einen „erwachsenen“ Western mag er zu seiner Zeit passend gewesen sein. Doch scheint es mir so, dass nur Passagen, besondere Ereignisse aus dem Originalbuch herausgepickt und dann miteinander verbunden wurden, so dass es an Tiefe und einem Spannungsbogen fehlt.

Das Ende ist ebenfalls merkwürdig, denn der Film endet – wie der Trek – vor seinem eigentlichen Ende und hinterlässt den Zuschauer mit einem schiefen Grinsen. Ein Grinsen jedoch durchaus, was daran liegt, dass die Schauspieler, wie gesagt, ihren Job sehr gut machen und die Western – Atmosphäre, durch die großartigen Landschaftsaufnahmen, hervorragend transportiert wird.

Trotzdem ein sehenswerter Film!

Nur die Geschichte selbst, die hakt immer wieder, wirkt konstruiert und aufgesetzt, übertrieben hier und unglaubwürdig dort. Und immer wieder auch skurril, so als wenn jemand versucht hätte, etwas besonders „Großes“ zu erschaffen, was mit einem geringeren Anspruch weit besser geklappt hätte.

Der Film ist bei Concorde unter dem Label „Classic Selection“ erschienen. Das passt auch sehr gut, denn bei aller Kritik ist dies doch ein Klassiker, der drei der besten und größten aller Schauspieler, gerade im Western – Genre, aber auch darüber hinaus – auf der Leinwand vereint hat.

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„Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe!“ (Support your local Sheriff) bei Pidax erschienen!

Western – Fans kennen sie alle: die kühlen Revolverhelden, wie sie durch Yul Brynner und Steve McQueen in „Die glorreichen Sieben“ dargestellt worden sind oder die durch Clint Eastwood und Co, zumeist in den 1950 Jahren bis in die 1980er hinein.

Aber auch die neueren Western, wie die Christian Bale – Verfilmung von „Todeszug nach Yuma“ oder der Kevin Costner – Film „Open Range“ können sich sehen lassen.

Westernhelden jeder der genannten und unzähliger weiterer Verfilmungen sind einfach cool. Verschwiegen, manchmal brutal, immer jedoch berechnend laufen sie durch die staubigen Straßen von Städten und sorgen auf ihre eigene Weise für Recht und Ordnung.

Western und Komödie – geht das?

Es gibt zwar nur noch wenige neue Western, aber sterben wird das Genre wohl nie – und das ist gut so. So, wie mystifizierte und romantisierte Ritter- und auch Piratenfilme etwas ungemein anziehendes haben, so weiß auch der Western zu gefallen. SIe haben nichts mit der Realität zu tun, müssen sie auch nicht.

Dennoch: Wer eine ganze Reihe von Western gesehen hat, dem verlangt es irgendwann einmal, sich vom Staub der sandigen Wüste Nevadas, den kalten Nächten in den Canyons und den Schießereien in Dodge City zu erholen. Verdammt, gibt es hier denn wirklich so gar nichts zu lachen im „wilden Westen“?

Doch es gibt sie tatsächlich: Komödien wie „Blazing Sattles“ von Mel Brooks oder „City Slickers“. Doch nur eine Western – Komödie trifft meiner Meinung nach den rostigen Nagel auf den Kopf: „Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe!“

Turbulent – verrückt und immer noch nahe am klassischen Western

Im Original heißt der Film „Support your local Sheriff“. Die James Garner – Verfilmung aus dem Jahre 1969 hat auch einen coolen Helden. Doch da, wo sich ein Yul Brynner oder ein Clint Eastwood eingemischt hätten, da hat Revolverheld McCullough nur eines im Sinn: Sich heraushalten. Denn er ist eigentlich nur auf der Durchreise nach Australien und will jeglichen Konflikten aus dem Weg gehen. Das macht ihn von Anfang an sympathisch, zumal er dies mit einer gewissen provokanten Selbstverständlichkeit tut.

Bei seiner Reise nach Australien  kommt er in eine sündige Goldgräberstadt, in der es bisher kein Sheriff aushalten konnte. Oder überlebte. Da er nunmal leider Geld und Unterkunft benötigt, solange er dort verweilt, übernimmt er den „Job“ mit sehr ausgefallenen Mitteln, bei der sich ein unerwartetes Können mit dem Schießeisen mit einer absurden Kreativität (Stichwort: Gefängnisgitter) und Kaltschneuzigkeit verbindet.

Das bekommt zuerst einmal die Danby – Bande zu spüren und niemand geringeres als Bruce Dern spielt Joe Danby. Kein weiteres Wort zu dieser Bande, außer vielleicht, dass sie an die Daltons aus der Comicreihe „Lucky Luke“ erinnern.

Die Danby – Bande im Konflikt mit dem Sheriff (c) PIDAX

Übrigens steht McCullough ein tatkräftiger, naja, sagen wir mal, ein nicht ganz gescheiter, aber ehrenwerter Helfer zur Seite. Jake wird von „Spiel mir das Lied vom Tod“ – Jack Elam (1920 – 2003) gespielt.

Echte Spielfreude am Set

Die Komödie, die von William Bowers geschrieben und von Regisseur Burt Kennedy gedreht wurde, ist ein Feuerwerk von Gags. Manchmal sind es Wortwitze, manchmal Slapstick – Einlagen. Dabei ist das ganze Ensemble mit so einer großen Spielfreude dabei, dass der ganze 93minütige Film einem wie ein einziger großer, toller Witz vorkommt. Nie wieder wurde seither das Western – Genre so einfallsreich aufs Korn genommen. Oft sind gerade Western – Komödien derart übertrieben und absurd, dass man den „Western“ unter der nach Lachern heischenden Oberfläche kaum noch erkennt. In „Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe“ glaubt man in jeder Minute es mit einem waschechten 1960er – Western zu tun zu haben. Er ist nur unerwartet anders.

Das für die Hauptrolle James Garner (1928 – 2014) gewählt wurde, war vermutlich direkt beabsichtigt, denn der trockene Humor wirkt wie auf seinen Leib geschneidert. Der Schauspieler, den man aus diversen Komödien mit Doris Day kennt und der mit der Serie „Detektiv Rockford“ berühmt wurde, spielte auch in zwei recht kurzweiligen Western – Serien um den Cowboy „Maverick“ mit, die beide bei Pidax erhältlich sind: https://www.pidax-film.de/advanced_search_result.php?keywords=maverick.

„Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe“ ist kürzlich auf DVD und sogar Blu Ray bei Pidax in prima Bildqualität erschienen:

https://www.pidax-film.de/advanced_search_result.php?keywords=auch+ein+sheriff+braucht+mal+hilfe

Noch erwähnenswert dazu…

Es gab später noch eine „Fortsetzung“ oder besser: Eine aternative Geschichte nach selbem Rezept: „Support your local gunfighter“ (deutscher Titel: Latigo). Hier spielen wieder sehr viele Schauspieler aus „Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe“ mit. Ob es am Drehbuch lag – dieses mal wurde es von James Edward Grant geschrieben, ist schwer zu sagen, aber der Film wirkt wie ein laues Lüftchen im Vergleich zum „Sheriff“ – Film. Da James Garner natürlich immer sehenswert ist und auch Jack Elam u.a. wieder mit dabei ist, ist der Film natürlich trotzdem sehenswert, aber man sollte nicht so viel wie vom Vorgänger erwarten.

Fazit: „Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe“ ist der lustigste Western aller Zeiten: Anschauen!

City Slickers – Großstadthelden, jetzt auf Blu-Ray bei KOCH

„City Slickers – Großstadthelden“ ist eine Westernkomödie von 1991, in der u.a. Billy Crystal (als „Mitch Robbins“), Jack Palance (als „Curly“), Daniel Stern („Phil“), Bruno Kirby (als „Ed“) mitspielten.

Das große Thema ist „Midlife Crisis“. Jene Zeit, die an keinem Mann so ganz und gar vorbeigeht und in der er entdeckt, dass er auf die Mitte des Lebens zugeht und das Gefühl bekommt, „das könnte es vielleicht gewesen sein.“ Kommt da jetzt nichts mehr?

In Etwa dieses Gefühl hat auch Mitch Robbins als er 40 wird und merkt, dass ihm „da Haare wachsen, wo sie früher nicht wuchsen und sie da, wo sie bisher gewesen waren, ausgehen“. Er sieht sein Leben von einer zunehmend depressiven Warte aus. Aber was sollen seine Freunde dazu sagen? Allen voran Phil, der sich kurz nach Beginn des Films beruflich und privat vor dem „Aus“ befindet. Am Glücklichsten scheint da immer noch Ed zu sein, der aber auch seine Themen mit sich herumschleppt.

Von Anfang an hat dieser Film weit mehr Tiefe als man es glauben könnte, wenn man den eher albernen und actionreichen Trailer ansieht. Aber das ist die andere Stärke des Films: Es ist ein Wohlfühl-Film. Egal, wie ernst die Fragen sind, um die es geht: Am Ende fühlt man sich mit Mitch, Ed und Phil, aber auch in gewisser Weise mit Curly, verbunden. Es ist ein Film, der einem ein gutes Gefühl macht.

 

Jack Palance gibt mit „Curly“ ein Paradebeispiel eines harten Cowboys. Er wirkt dabei wie ein Urgestein und würde er sagen, dass er schon 1880 mit Wyatt Earp zusammen gekämpft hätte, würde man ihm das abkaufen.

Doch wie kamen sie zu diesem Typen? Nun, eigentlich ist es eine Einladung, die Mitch von seinen Ferunden bekam: Eine Herde Rinder wie die Cowboys früher von A nach B bringen und dabei „ein richtiger Cowboy werden“ – oder so was in der Art. Mitch ist erst gar nicht begeistert, macht dann aber doch mit. Vielleicht auch, weil seine Frau ihm keine Wahl lässt: Er soll sein Lächeln wieder finden!

Wer etwas für Western übrig hat, sich – wie Mitch – ebenfalls um die Mitte des Lebens herum bewegt oder wer einfach einen Sinn für feinen Slapstick – Humor und witzige Zwischentöne hat, der sollte sich, wenn noch nicht geschehen, unbedingt diesen Film ansehen!

(c)Koch (c)Colombia Pictures

Die Special Edition dieses Film ist nun bei Koch – Media auf Blu-Ray erschienen. Neben dem Film in bester Bildqualität finden sich hier Trailer, Audiokommentare, Featurettes, geschnittene Szenen und eine schicke Bildergalerie.

Regie Ron Underwood
Darsteller Billy Crystal
Daniel Stern
Bruno Kirby u.a.
Genre Komödie
Filmlänge ca. 113 min
Sprachen Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Produktion USA 1991
Tonformat DTS HD-Master Audio 2.0/5.1
Bildformat 1.85:1 (16:9)
FSK ab 12
Extras Trailer, Audiokommentar, Featurettes, Geschnittene Szenen, Bildergalerie
Im Handel ab 12.03.2020

Kaufen könnt ihr die Blu-Ray hier:

https://www.amazon.de/s?k=4020628775834&__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85Z%C3%95%C3%91&ref=nb_sb_noss

Ein viel zu heißer Tag (Western Mini Story)

von Matthias Wieprecht

Es war einer von diesen Tagen an denen einem der Schweiß über die Stirn rinnt, wenn man über ein schwieriges Thema nachdenkt. Die Kühe auf den Weiden muhten erschöpft. Einige waren schon an Hitzschlag gestorben. Der Hufschmied hatte es sich in einer kühlen Ecke seiner Werkstatt gemütlich gemacht, nachdem er die Preise auf der Aushang-Tafel dermaßen erhöht hatte, dass niemand es wagen würde, ihn zu belästigen, wenn nicht das Leben des Pferdes davon abhängen würde.

John Johnson stand auf dem Absatz des Hotels, direkt vor dem Saloon. Hinter ihm schwankten noch die Türen. Er spürte, wie ein Schweißtropfen langsam, dann immer schneller über seine Stirn, schließlich seine Nase kroch. Aus einer anderen Pore sprang ein weiterer Tropfen geradezu heraus und folgte dem Ersten. Seine Hose klebte jetzt schon widerlich. Zudem war ihm sehr mulmig in der Magengegend. Unsicher tasteten die Finger seiner rechten Hand nach dem Revolver in seinem Halfter. Wie er ihn fühlte, erinnerte er sich an seine Kindheit. Damals als Tom und er „Cowboys“ spielten. Mit Platzpatronen. Er hatte noch nie einen Menschen getötet. Heute würde er auf Tom, seinen Bruder, schießen müssen – oder selber sterben.

Molly Cartwright sah teilnahmslos aus ihrem Hotelzimmer herunter. „Was für ein Feigling“, dachte sie. Ihr war es egal, ob sie ihm oder seinem Bruder gehören würde. Der wilde Westen war ein hartes Pflaster. Nachdem ihre Eltern vor zehn Jahren nach Amerika gekommen und zwei Stunden nach Ankunft in Philadelphia von Wegelagerern erschossen worden waren, kam es ihr nur darauf an zu überleben. Niemand konnte ihr daraus einen Vorwurf machen. Niemand tat es. Tief in ihrem Innersten verachtete sich Molly Cartwright dafür, sich selbst aufgegeben zu haben, nur, um zu überleben.

„Du kannst es dir noch überlegen, Tom!“ sagte Pfarrer Brady. „Er hat sie beleidigt, Hochwürden, er meinte, sie würde ihn lieben!“ rief er wütend vor sich hin. Er war ganz in schwarz gekleidet. Ein Freudenfest wäre das heute nicht, nein, sicherlich nicht. Schwarz wäre gottgefälliger, meinte er, der er bei Pfarrer Brady sozusagen „in der Lehre“ war, denn viele Pfarrer gab es hier nicht. Brady war ein Ire von gesunder Gesichtsfärbung und natürlich roten Haaren, die sich um sein fleischiges Antlitz kräuselten. Für seinen gewaltigen Appetit war er doch recht schlank. Er hatte ein Feuer in seinen blauen Augen und auf der Kanzel konnte er so eindrucksvoll predigen wie Petrus selbst. Jedenfalls behaupteten das die Cowboys, wenn sie nach der Predigt in den Saloon gingen, um einen Whiskey zu trinken oder zwei, ehe sie heimkehrten. „Zu töten ist eine Sünde, Tom!“ rief Brady nun voller Zorn und mit weit ausgerissenen Augen. Tom sah ihm eine Weile in die Augen, dann blickte er zu Boden. „Dann beten sie für mich, denn meine Seele ist verloren“, sagte er und verlies, mit Gürtel, Halfter und Revolver das Haus.

„Die beiden Brüder waren früher unzertrennlich.“ erklärte der Barkeeper im Saloon dem Fremden, der an diesem Tag zufällig in die Stadt gekommen war. Er hatte das ganze Getuschel in der Stadt und besonders im Saloon bemerkt und offen nachgefragt. Der Fremde hatte einen gewaltigen Bart, der von weißen Strähnen durchdrungen war und der insgesamt gekleidet war wie ein Trapper. „Ich kenne sie schon lange. Ein Jammer, dass sie sich heute töten müssen.“ „Das ist wirklich ein Jammer“, sagte der Trapper und schüttelte den Kopf. „Und dann auch noch wegen einer Frau.“ „Was haben sie denn dagegen, sich wegen einer Frau zu töten?“ fragte ein junger Mann, der Sohn des Hufschmieds, trotzig und spielte mit der Hand an seinem Colt herum, doch der Nebenmann, John Hughes, der Gemischtwarenhändler, zog ihm seinen Hut tief ins Gesicht. „Dafür bist du noch zu grün hinter den Ohren!“ sagte er und alle lachten – außer dem Barkeeper. „Sie kenne die Beiden wirklich schon lange, was?“ sagte der Trapper, vielleicht um etwas Mitgefühl zu zeigen. „Sie saßen – als sie klein waren – da drüben am Klavier und spielten immer mit … oh, Moment mal!“ Dann holte er sich eine kleine Leiter und holte aus einem Nebenschrank eine Kiste hervor, die recht verstaubt war. Er öffnete sie und holte zwei Zinnsoldaten heraus. „Damit spielten sie! Hatten sie aus ihrer Heimat, aus England, mitgebracht.“

John Johnson sah Tom nur etwa 300 Meter entfernt. Spät war er nie gewesen. Er wusste ganz genau, dass er heute sterben würde und, so merkwürdig das auch klingt, machte sich am meisten Sorgen darum, ob er seinen Bruder verletzen würde.

Wenig später standen sie sich gegenüber. Im Staub, der sogar zwischen den Zähnen knirschte und den sich mit dem Schweiß des Körpers mischte, um wie eine zweite Haut auf Händen, Hals und Gesicht zum Liegen zu kommen. Tom und John sahen sich lange an. Jeden Moment war es soweit. Tom merkte plötzlich, dass es ein verrückter Fehler wäre zu schießen, John sah die Frau, die sich unter die aufkommende Menge von Zuschauern gemischt hatte, und ihm wurde plötzlich klar, dass er seine Liebe nie wirklich von ihr erwidert worden war!

Vielleicht wäre der Schuss gefallen. Aber dazu kam es nicht, denn der Trapper stellte sich zwischen die Brüder, in seinen Händen hielt er die Kiste mit den Zinnsoldaten.

„Sie stehen im Weg, Sir“, sagte Tom und wunderte sich über seine augenscheinliche Selbstsicherheit.

Der Trapper hatte eine laute Stimme. „Kommt her, seht euch das hier an und wenn ihr euch dann noch töten wollt, nur zu!“ sagte er.

Sie sahen sich die Zinnsoldaten an, sie staunten und lachten und verfielen in viele Erinnerungen, bis Tom sagte: „Heute ist es eh zu heiß für ein Duell, oder?“ „Ja, genau“, sagte John, „verschieben wir es auf … irgendwann.“

Molly Cartwright stand wütend und bebend vor ihnen.

„Was immer du brauchst – von uns bekommst du es nicht.“ sagte John.

Als John, Tom und der Barkeeper dem Trapper danken wollten, war er jedoch wie vom Erdboden verschluckt. Er war ein Geist, sagen die Einen. Er war ein guter Reiter, der keine Spuren hinterlassen konnte, sagten die Anderen. Aber seien wir ehrlich. Es blieb bis heute ein Rätsel, woher er kam und wohin er verschwand.

Der wilde Westen „nebenan“: Kurztrip nach Pullman City

Als ich mit meinem Sohn (11 Jahre jung) an der Kasse die Hälfte des Eintrittsgeldes bezahlt hatte (es war an einem Freitag) und um die Ecke ging, befand ich mich – mir nichts, dir nichts – im „wilden Westen“.

Mit dem Planwagen durch den kleinen wilden Westen

Da waren viele Gebäude aneinandergereiht, auf deren terassen-artigen Holzböden man laufen konnte, wenn man nicht direkt von der einen zur anderen Seite flanieren wollte – an jenem Tag ging das übrigens nur durch Matsch. Aber das war okay so. Es musste Matsch sein. Eine matschige Straße an verregneten Tagen, eine staubtrockene im Sommer. Wilder Westen eben. Nichts gepflastert. Eine Stadt, die, wie eine Wurzel, in die Erde gesetzt wurde.

Wild West Show

Natürlich gibt es in den vielen Läden viel zu sehen, natürlich hat man – es ist ja immer noch Tourismus – auch die Möglichkeit, sein Geld für Hüte, Tassen und vielerlei Andenken zu lassen. Am Schönsten dabei war für uns das gemeinsame Foto, für das wir von einer freundlichen Dame mit viel Sachverstand in zeitgenössische Kleidung gesteckt und abgelichtet wurden.

Im „Yukon Saloon“ gab es ein rustikales Steak mit Bacon und Bratkartoffeln  bzw. mit Pommes für den Sohn. Später, nach der 45minütigen kurzweiligen Wild West Show auf der Main Street, gönnten wir uns im Big Moose Saloon einen warmen Kakao bzw. ich einen heißen Kaffee, um uns etwas aufzuwärmen. Die Atmosphäre stimmte überall. Die Macher hinter Pullmann City wissen genau, was zu tun ist, damit man sich selbst dann noch im „wilden Westen“ fühlt, wenn man an einer aufgeblasenen Hüpfburg vorbeigeht oder an anderen Besuchern in alltäglicher Kleidung.

Im Sheriff´s Office

Getragen wird das natürlich auch von den vielen Hobbyisten, die sich zeitgenössisch kleiden und vom ebenso geschmackvoll angezogenen Personal. Schon im Town – Office am Anfang, wo wir die Marken für die Kutschfahrt erhielten – stand uns ein hemdsärmeliger junger Mann gegenüber, der aus einem X-beliebigen Western hätte stammen können.

Ein Teil des Teams hinter Pulman City

Die Kutschfahrt selbst war – mit allem Knirschen und schaukeln – eine echte kleine Zeitreise. Eine interessante Erfahrung war das allemal.

Manches freilich muss in Pullmann City kleiner sein als in Echt, so der Yukon River, der im Original über 3000 km lang ist und hier nur mit einem Gewässer angedeutet wird, in dessen Nähe man Gold waschen kann. Natürlich kein echtes Gold, aber das tut dem Zauber keinen Abbruch.

Am „Yukon – River“ (fast)

Später, bei meiner Recherche, erfuhr ich, mit wieviel Mühe Pullman City´s „Macher“ daran gegangen waren, um eine echte, amerikanische Kirche zu überführen und texanische Longhorns ansässig zu machen! Oder welch große Rolle Pulman City für die Squaredance- und Country-Szene spielt!

Texanische Longhorns

Wer sich für Western begeistern kann, bereit ist echten „Typen“ zu begegnen – begonnen bei der attraktiven, dunkelhaarigen Hutverkäuferin bis hin zum etwas „nüchternen“ und „direkten“ Zierwaffen-Verkäufer, wer ein wenig Fantasie mitbringt und die richtige Einstellung, kann hier in der Tat erleben, dass Pullman City eine Insel im Herzen des Harz ist, wie es in dem Lied auf der Website heißt. Diese „Insel“ führte und verführte uns in den Wilden Westen und in jene Zeit, in der alles einfacher, klarer, erdiger war. Mit dem Luxus freilich, dass die Schattenseiten jener Zeit ausgeblendet werden durften. Von Krankheiten, Zahnbehandlungen ohne Betäubung und dergleichen war hier natürlich nicht die Rede.

Der größte Saloon vor Ort

Kürzlich sagte mir mein Sohn, er müsse immer lächeln, wenn er das Bild von uns sehen würde. Er als Gentleman-Pokerspieler, ich als echter Cowboy, mit Gewehr in Händen. Ich verstehe ihn nur all zu gut, mir geht es ähnlich.

Denn als wir jene Western-Stadt verließen, da war uns klar: Pullman City wird uns wieder sehen. Was wir neben Hut und Foto mitbrachten war nämlich unbezahlbar: Eine wunderschöne Erinnerung und eine tiefe Sehnsucht nach baldiger Rückkehr. Jedes Jahr einmal, haben wir uns vorgenommen. Schön wäre es auf jeden Fall!