Mord an der Themse (Murder by Decree) – 1979: Eine Betrachtung

Diesen Text schrieb ich zu Ehren Christopher Plummer (1929 – 2021), dessen Sherlock Holmes Darstellung mich maßgeblich für dieses (eines meiner liebsten) Interessengebiete (eben SHERLOCK HOLMES), einnahm. 

Ich habe mir – aufgrund des Todes von Christopher Plummer – „Mord an der Themse“ erneut angesehen und mich gefragt, was mich an diesem Film damals, in der Anfangszeit meiner Begeisterung für Sherlock Holmes, an diesem Film so begeistert hat.

Da sind zunächst einmal die grandiosen Aufbauten / Modelle des alten London zu nennen. In den großen Aufnahmen sieht z.B. das House of Parliament, im Vorspann gar die Skyline der gesamten Stadt, genau so aus, wie ich es mir das viktorianische London  immer vorgestellt hatte. Nebelig, sehr groß und unheimlich. Dazu kommt sicherlich noch die Spannung erzeugende Musik. Emotional ist das Setting also perfekt.

Ohne gute Darsteller wäre der Film dennoch höchstens mittelmäßig. Aber dieser Film brilliert mit einer ganzen Garde an hochklassigen Schauspielern. Nicht nur Holmes selbst wurde mit einem sehr guten Schauspieler besetzt, Christopher Plummer eben, die Liste der hervorragenden Schauspieler setzt sich gleich bei Dr. Watson fort, mit (dem recht betagten) James Mason,  des Weiteren Donald Sutherland, John Gielgud, Anthony Quayle, Genevieve Bujold uvm.

Sherlock Holmes wird hier in vielerlei Szenen dargestellt, die geradezu der Feder des Zeichners Sidney Paget entstammen könnten – und in Teilen tatsächlich exakt so dargestellt wurden! Etwa wenn Holmes Watson in der Frühe weckt, sich als Schornsteinfeger verkleidet hat oder Violine spielt.

Last but not least ist die Thematik des „Jack the Ripper“ der „Klassiker“ unter den viktorianischen Morden.

Natürlich werden hier Klischees bedient, aber warum nicht? Optisch, akustisch und inhaltlich ist dies ein brillanter Sherlock Holmes Film. Freilich – der Zeit entsprechend – schon etwas blutiger als in früheren Darstellungen und – streng genommen – sogar blutiger als die meisten Original – Geschichten. Dabei muss man der Story aber zu Gute halten, dass es immerhin um den Ripper geht und damit natürlich um wirklich grausame Morde!

Plummer´s Darstellung wird vorgeworfen, er sei zu emotional für Sherlock Holmes. Das ist – aus dem Zusammenhang gerissen – auch so, streng genommen. Doch zu diesem Holmes in dieser Situation, in der er in dem Film weint, passt es! Plummer´s Holmes ist ja nicht den ganzen Film durch hoch – emotional, sondern lediglich in einer bestimmten Situation, die in der Tat selbst für seine Verhältnisse ungemein emotional war. Es passt einfach.

Dieser Holmes ist insgesamt mehr der „Gentleman“ – Typ von Sherlock Holmes, mehr wie ein Rathbone oder sogar ein Whitehead, weniger ein Brett oder ein Cumberbatch. Wiewohl es spaßig sein kann, einen eingebildeten oder einem exzentrischen Holmes zu verfolgen, ist mir diese Art von „eher zivilisertem“ Holmes „am Ende des Tages“ die Liebste. Plummer´s Holmes ist frisch, fit, humorvoll, sarkastisch und sogar schadenfroh. Weit entfernt von einem von Drogen abhängigen oder abgehobenen Typen. Ein Mensch, nur eben ein brillanter Mensch.

Masons Watson ist ein ernster, hilfreicher Watson, wie er es auch in den Originalen ist. Der Altersunterschied zwischen Masons Watson und Plummers Holmes ist beinahe zu groß, aber noch kann man den beiden ihre Rollen, auch, was das Alter angeht, abnehmen. Ihr Zusammenspiel erinnert an das eines alten Ehepaares. Diese beiden kennen sich schon lange, das ist offensichtlich.

Alleine das Finale wirkt für mich etwas unorganisch (Verfolgungsjagd, Pause, Verfolgungsjagd, Pause…). Letzthin aber bringt es eine plausible, wenn auch unwahrscheinliche, Lösung für die Ripper – Morde und einen runden, emotionalen Abschluss eines denkwürdigen Films.

Ich wünschte mir, man würde auch heute noch einmal so eine große Riege guter Schauspieler zusammentrommeln und möglicherweise sogar eine groß angelegte, atmosphärisch dichte und historisch angehauchte Verfilmung sowohl der Originale als auch neuer Fälle, umsetzen.