Western Story. Die ganze Geschichte, ihr Anfang und Ende, aber doch weniger als Fleisch an einem Knochen ist, den Sam Tablun seinem Hund nach der Messe zuwirft. Am Ostermontag.

Es ist egal, wer ich bin. Ich werde eines Tages sterben und nur wenige werden sich an mich erinnern. Wichtig ist vielleicht eher Johnny McLeourd, der den alten Säufer, Bixby, davor bewahrt hat, erschossen zu werden. McLeourd war ein Rotschopf, ein Ire und wenn Iren etwas haben, ist es Feuer. Der alte Säufer Bixby (niemand wusst, wie sein wahrer Name war, aber Bixby war es sicher nicht) beleidigte nach der zweiten Flasche Fusel alles, was ihm in den Weg kam. Auch an jenem Sonntagnachmittag als McLeourd den Saloon betrat. McLeourd war da noch niemanden bekannt, auch mir nicht. Das sollte sich noch ordentlich ändern, aber dazu später. Sicher ist, dass McLeourd den Saloon betrat und gleich eine Salve Beleidungen an den Kopf geschmissen bekam. Nicht etwa er, sondern seine Begleitung, Jeff McGreedy, zückte bei so vielen ungerechtfertigen wie gerechtfertigten Verwünschungen gleich seinen Colt, doch McLeourd, auch ein Ire, aber viel reifer, schlug seinen Kumpel nieder, so dass er einen Zahn verlor. Dafür dankte er ihm später, denn der Zahn machte ihm schon lange Schmerzen, doch hatte McGreedy nie den Mut aufgesammelt, um beim Zahnarzt rein zu schauen und, bei Gott, wer will ihm das verdenken? Der letzte Besucher beim Zahnarzt konnte ein Jahr danach nur Brei essen, erst dann wieder Fleisch und das hat er mit uns gefeiert, das kann ich euch sagen.

Nun kann man sich vorstellen, dass der Kumpel von McLeourd erstmal nicht so begeistert von dem Schlag war, denn da wusste er noch nichts vom Segen dieses gezielten Schlags. Also rappelte er sich auf, wie ein Stier so wild und wollte jetzt sowohl Bixby, der seine Klappe immer noch nicht halten konnte, als auch seinem Freund ans Leder. McLeourd hatte aber dessen Waffe in Gewahrsam genommen und natürlich kam es wie es kommen musste: Zu einer Schlägerei. Was auch sonst sollten die Cowboys an einem Sonntagnachmittag tun? McLeourd hielt sich da aber eben so raus wie ich, der ich zufällig auch vor Ort war und darum davon zeugen kann.

Sowohl er als auch ich zogen uns – ohne voneinander zu wissen – ins Poker-Zimmer zurück und genehmigten uns dort je ein Glas Whiskey. In aller Ruhe. Die ganzen Spieler waren, neugierig vom Lärm nebenan , in den Saloon geeilt um dort an der Schlägerei teilzunehmen – oft auch unfreiwillig, denn bloße Gaffer und „Zeugen“ wurden oftmals in eine aktive Rolle gezwungen.

Jedenfalls saßen wir dann da und tranken und als wir uns dabei sahen, erschraken wir wohl beide. Denn auch er zuckte kurz zusammen. „Was, sie wollen da nicht mitmachen?“ fragte ich und deutete zum Nachbarzimmer von dem die Geräusche brechenden Holzes, Gegröle und Gestöhne zu hören waren. „Ich bin nicht irre, nur Ire“, sagte der Andere und wiederholte damit einen uralten Witz, den ich schon tausend Mal gehört hatte, aber in diesem Augenblick lies er mich laut losprusten vor Lachen, wobei ich den letzten Schluck Whiskey auf dem Pokertisch verteilte. Wir stellten einander vor, nachdem wir miteinander gelacht hatten. Ich kann euch sagen, wann und wen ihr auch immer wo kennenlernt: Geschieht es mit einem Lachen, freut euch des Lebens, denn das wird halten und viel abkönnen in der Zukunft!

Da ich mir den Nachnamen von McLeourd (eben jenen) erst nicht merken konnte, nannte ich ihn nur „Joe“, obwohl das gar nicht sein Name war und er nannte mich „Jack“. Er meinte, ich sähe aus wie ein „Jack“. Witzig, dachte ich, da mich meine Eltern Bartholomäus genannte hatten. Jack gefiel mir besser. Aber das behielt ich für mich. Damals jedenfalls.

„Was hat dich … eh…. euch hergetrieben? Gold?“

„Jup. Bei mir ist es einfache Neugier, bei meinem Kumpel ist es Gold. Würde sagen Goldfieber. Der Verrückte kann einfach nicht aufhören. Dabei hat er weiß Gott Pech gehabt. Den ganzen Yukon sind wir lang und das ist viel, viel Platz, den der einnimmt. Würde mich gerne mal erkundigen, wie lang der ist. Aber weiß ja keiner. Egal. Jedenfalls hat er mich tatsächlich vor einem netten Paar Indianer beschützt. Ja, ehrlich! Normalerweise ist er ein Draufgänger und Raufbold, aber …. Stell dir einfach vor, ich stand da und mir gegenüber, nur 50 Meter im leichten Morgendunst entfernt, zwei Indianer mit Kriegsbemalung. Da wirft er mir aus der Deckung einen Stein zu und winkt mich her. Wir haben uns unter einer Decke versteckt, auf der er ne Menge Erde gepackt hatte. Ich habe keine Ahnung, ob die Indianer mir überaupt ans Leben wollten, aber vielleicht gut, das ich das nicht weiß.“

Darauf tranken wir und unsere Gläser klirrten aneinander. Nicht zum letzten Mal. Dann begann ich von mir zu erzählen.

„Meine Frau ist mir weggelaufen. Ja, es ist ein Klischee. Haben uns oft gestritten. Die Erträge der Farm brachten nicht mehr so viel wie sie wollte. Sie wollte leben wie die Südstaaten-Damen, bei mir gab es nur Essen und ein Dach über dem Kopf, das reichte ihr nicht. Also ging sie weg. Ich begann zu triken, litt sehr darunter und dann verkaufte ich alles, nahm meine Ersparnisse, zog los und blieb hier in diesem Hotel stecken. Bisher. Ich habe keinen Plan, was kommen mag.“

Da bekamen die Augen von Jeff einen glänzenderen Ausdruck als es alleine vom Alkohol her möglich gewesen wäre.

„Ja“, sagte er, „das Leben ist manchmal ne schwere Sache.“

In dieser Art quatschten wir noch die ganze Nacht hindurch, wurde sozusagen im Eiltempo beste Freunde, während es nebenan ruhiger wurde, weil der Sheriff kam, der Arzt kam, aufgeräumt wurde und als der Saloon am frühen morgen schließen wollte, freute ich mich darüber, in mein Bett zu fallen, nachdem ich mich von meinem neuen Bekannten verabschiedet hatte.

Ich ging davon aus, das sei die erste und letzte Begegnung mit Jeff. Aber dabei blieb es nicht. Eigentlich wollte ich nichts weiter erzählen. Nur unser Kennenlernen beschreiben. Aber na gut…

Jeff und ich sahen uns erstmal nur noch im Vorbeilaufen, so lange er mit seinem Kumpel in der Stadt war, der natürlich mehr als ein blaues Auge davon getragen hatte und dem Sheriff nunmehr als Unruhestifter bekannt geworden war. Dann verlies er die Stadt. Wir trafen uns kurz davor im Drug-Store. „Wohin soll es gehen?“ fragte ich ihn. Er machte ein vielsagendes Gesicht, das ich nicht deuten konnte. „McGreedy meint, er weiß, wo es wirklich Gold zu finden gibt.“ sagte er dann. „Ist was dran?“ fragte ich ihn und er zuckte mit den Achseln. „Wir werden sehen.“

Eine Woche später erhielt ich einen Brief, in dem sich scheinbar nur Sand befand. Zum Glück rieselte es nicht auf den Boden, sondern auf ein frisches Blatt weißen Papiers auf meinem Schreibtisch. Dort erkannte ich, dass es GOLDSTAUB war.

Jack kam bald alleine zurück in die Stadt und bot mir an, mit mir den Rest des Goldes zu holen, dass sein Kumpel und er in einer Mine gefunden hatten. Ich war einverstanden. So begannen vier spannende Jahre, in denen es hoch und runter ging. Wir begegneten Bankräubern, Indianern, mussten mit Soldaten kämpfen und vor ihnen davon laufen. Wir wurden Teil einer Bande, um nicht aufzufliegen, lernten Mexiko kennen und fanden beide die Liebe unseres Lebens, ehe wir uns in zwei Häusern niederließen, die nahe beieinander standen.

Manchmal kam abends der Eine zum Anderen und wir sprachen über die „alten Zeiten“. Vielleicht werde ich auch mal darüber schreiben. Aber erstmal soll es das gewesen sein, denn meine Frau verlangt nach mir. Seltsam, wie mich das freut, denn vermutlich hat sie nur wieder etwas zu Tun für mich.

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