Randnotiz: Den nachfolgenden Text schrieb ich seinerzeit für den Fedcon Insider.
Der Großvater der Science Fiction
Wer würde sich nicht an jene Szene in „Zurück in die Zukunft III“ erinnern, in der Clara Clayton und „Doc“ Brown feststellen, dass sie die gemeinsame Leidenschaft verbindet, Jules Verne zu lesen! Zitat, „Doc“ Brown: „(…)20.000 Meilen unter dem Meer: Mein absolutess Lieblingbuch! Als ich es das erste Mal als kleiner Junge las, ja, da wollte ich Kapitän Nemo kennenlernen!“
Ich lade dazu ein, nicht nur Kapitän Nemo etwas näher kennenzulernen, sondern auch Jules Verne, den „Großvater der Science Fiction“. Denn was wissen wir über den berühmten Autoren – außer, dass seine Romane verfilmt wurden?
Schließlich werde ich noch auf eine ganz spezielle Verfilmung der „geheimnisvollen Insel“ eingehen, die heute vielleicht weniger bekannt ist als sie es verdient und die es uns ermöglicht, des verstorbenen Omar Sharif (10. April 1932 – 10. Juli 2015) zu gedenken.
Wer war Jules Verne?
Die Biografie von Jules Verne liest sich etwas unwirklich, weil er zu einer Zeit lebte, in der unsere Welt gesellschaftlich, politisch und überhaupt in so ziemlich jeder Hinsicht, eine andere war. Was gleich geblieben ist: Wenn man an seinen persönlichen Traum glaubt, kann es gelingen, dass er Wirklichkeit wird. Vernes Traum war das Schreiben! Reisen wir also 187 Jahre in die Vergangenheit und werden Zeuge seiner Geburt…
Ein Schriftsteller wird geboren
Am 8. Februar 1828 wurde Jules Verne in der französischen Hafenstadt Nantes geboren. Sein Vater – Pierre Verne – war Rechtsanwalt, was in seiner Familie der übliche Beruf war, der von Vater zu Sohn übertragen wurde. Die Mutter trug den wohlklingenden Namen Sophie Allote de la Fuye. Sie entstammte einer Reederei- und Handelsfamilie.
„Ich habe in einer Hafengeschäftigkeit einer großen Handelsstadt gelebt, die Ausgangs- und Endpunkt vieler Reisen nach Übersee war…. Damals hatten wir nur die schwerfälligen Segelschiffe der Handelsmarine… Im Geiste kletterte ich in ihren Wanten, zog mich hinauf zu den Mastkörben und klammerte mich an die Köpfe ihrer Masten… Welches Verlangen ich hatte, die bebende Leitplanke zu überspringen, die sie mit dem Hafendamm verband, und den Fuß auf ihr Verdeck zu setzen!“ (J. Verne)
Der Hang zu abenteuerlichen Gedanken an ferne Gestade blieb und sollte ihn viele Jahre später auch ernähren.
Zunächst steuerte ihn aber sein Vater in Richtung Jura-Studium. Er unterrichtete ihn – nach bestandenem Abitur – zunächst selbst. Er wollte seinen Sohn nicht im „Sündenpfuhl“ Paris wissen. Nur zur mündlichen Prüfung durfte Verne nach Paris.
Schon zu dieser Zeit las er sehr gern Bücher von Balzac, E. T. A. Hoffmann und Victor Hugo.
„Ich kann auf Bücher nicht verzichten, das ist unmöglich!“
(J. Verne)
Liebeskummer und Kreativität
Als seine Cousine Caroline Tronson seine Liebe im Jahre 1847 nicht erwiderte und jemand anderen heiratete, griff Jules Verne – erstmals ? – zur Feder, um etwas Eigenes zu ersinnen. Liebesgedichte, in denen es um verschmähte Liebe ging.
Ein Jahr später zog er mit einem Freund doch nach Paris, um sein Studium fortzusetzen, und zwar in die Rue de´l Ancienne-Comedie. Sein Vater hielt ihn finanziell recht kurz, damit er nicht auf „Abwege“ gerät.
Der in Paris lebende Alexandre Dumas veranstaltete häufig Empfänge und Essen, wozu er auch Studenten einlud. So lernte Jules Verne den Autoren der „drei Musketiere“ kennen, vor Allem aber dessen Sohn, Alexandre Dumas jr., mit dem er sich offenbar gut verstand: Ein gemeinsames Theaterstück, „Les Pailles rompues“, entstand und wurde 1850 im Theatre Historique 12 mal aufgeführt. Es deckte immerhin seine Kosten.
Faszination Schreiben
1849 beendete Verne sein Studium, aber blieb in Paris, fasziniert vom Schreiben und der kreativ-schöpferischen Umgebung. Noch war unklar, ob aus Jules Verne Anwalt oder Autor werden würde, aber seine Berufung setzte sich durch (und er sich dafür ein) als 1851 der Rechtsberater Championniere starb (ein Bekannter seines Vaters), in dessen Büro er eine Stelle hätte haben können. Er erklärte seinem Vater, dass er sich vollkommen der Schriftstellerei widmen wollte. Sein Vater war wenig beglückt darüber, reagierte aber überraschend mild.
Doch von seinem „Durchbruch“ als Schriftsteller war noch keine Rede! 1852 wurde Verne Sekretär des Intendanten des Pariser Theatere Lyrique – vermittelt durch Dumas -und schrieb teils allein, teils in einem Team, Stücke für eben jenes. Die schlecht bezahlte, anstrengende Arbeit forderte gesundheitliche Tribute: Magenschmerzen, Gesichtsmuskelähmungen und Schlaflosigkeit.
Als Jules Verne den blinden Entdeckungsreisenden Arago kennenlernte, wurde in ihm der Wunsch stark, Reiseerzählungen zu schreiben. Dies tat er – und veröffentlicht sie in der Familienzeitschrift „Musee des families“. Eine Geschichte aus dieser Zeit heißt „Ein Drama in den Lüften“ (ursprünglich: Un voyage en ballone). Eine andere trägt den Titel „Eine Überwinterung im Eise“ ( Un hivernage dans les glaces)und nahm u.a. die Handlung seines Romans „Die Kinder des Kapitän Grant“ vorweg.
1856 wurde Jules Verne von seinem Freund Auguste Lelarge zur Hochzeit eingeladen und lernte dort seine zukünftige Frau, Honorine Morel, geb. Deviane, kennen. Er heiratete sie am 10. Januar 1857 .
Reise nach Schottland
Eines Tages lud ihn sein Freund, der Komponist Aristide Hignard, zu einer Schiffsreise nach Schottland und Norwegen ein. Der Roman „Voyage à reculons en Angleterre et Écosse“ („Reise mit Hindernissen nach England und Schottland“) ging direkt daraus hervor, wurde jedoch nicht zu seinen Lebzeiten veröffentlicht. Eine weitere Reise nach Dänemark und abermals Norwegen folgte.
Im Jahre 1861 – Verne ist 33 Jahre alt – wurde sein Sohn, Michel, geboren.
Im Oktober 1863 startete der Heißluftballon „Géant“ auf dem Pariser Marsfeld, was viel Aufsehen erregte und zwei Wochen später startete ein neuer Ballon, der allerdings vor Hannover abstürzte. Die Insassen überlebten, mit teils schweren Verletzungen.
Fünf Wochen im Ballon
Jules Verne jedoch webte, von den Ballonfahrten inspiriert, in seiner Fantasie jene Geschichte, die für seinen literarischen Durchbruch sorgte: Am 31. Dezember 1863 erschien „Fünf Wochen im Ballon“. Diese Art von wissenschaftlich – abenteuerlichen Roman war gänzlich neu! Sein Verleger, Jules Hetzel (1814 – 1886), der auch die Bücher von Victor Hugo veröffentlichte, nahm Verne für 20 Jahre unter Vertrag, in denen er pro Jahr zwei Romane veröffentlichen musste, und nannte die Reihe „außergewöhnliche Reisen“ (Voyages Extraordinaires). Nach diesen zwanzig Jahren folgte jedoch noch weitere zwanzig Jahre, in denen er weitere Romane schrieb. Insgesamt umfassten die „außergewöhnlichen Reisen“, von denen viele Bestseller wurden, vierundfünfzig Romane, die in kurzer Zeit in andere Sprachen übersetzt wurden und weltweit Aufsehen erregten.
1867 besuchte Jules Verne die Weltausstellung in Paris, in der die neuesten Errungenschaften der Wissenschaft und Technik ausgestellt wurden. Unter Anderem fand er dort die Pläne des ersten französischen Unterseebootes, der Plongeur. Sie sollte später das Vorbild für die Nautilus sein, eines U-Boots mit viel größerer technischer Raffinesse. Besonders war, dass „sein“ U-Boot mit elektrischem Strom lief, was für seine Zeit noch nicht vorstellbar war. Doch schrieb er „20.000 Meilen unter dem Meer“ erst 1869, nachdem er nach Le Crotoy gezogen war. In seinem dortigen Haus konnte er direkt in Richtung Hafen blicken, wo sein Schiff, die „St. Michel“ lag. Wenn er einmal Abwechselung oder Ruhe brauchte, bereiste er – ähnlich Kapitän Nemo, nur nicht mit der Nautilus, sonderm mit seiner Dampfyacht – die Welt. So kam er nach Norwegen, Irland, Schottland, Deutschland… und aus all diesen Reisen entsprangen noch genauere Landschaftsbeschreibungen in seinen Romanen!
Vermutlich lag es daran, dass seine Frau sich im beschaulichen Le Crotoy langweilte, dass sie 1869 nach Amiens zogen, wo Jules Verne schon bald zum Stadtrat gewählt wurde.
1874 / 1875 veröffentlichte er schließlich den Roman, um den es uns ins Besondere geht: „Die geheimnisvolle Insel“! Zwar war es nie geplant, den zwei Vorgänger – Romanen („Die Kinder des Kapitän Grant“/ „20.000 Meilen unter dem Meer“) einen dritten Teil hinzuzufügen, aber es ergab sich.
Kurze Unterbrechung: Ein Interview mit dem Verne – Kenner Andreas Fehrmann:
MW: Ich habe gelesen, dass „Die geheimnisvolle Insel“ 1875 / 76 veröffentlicht wurde. Heißt das, über Silvester?
A. Fehrmann: Nein, der Roman erschien in drei Teilen. Die Originalausgaben erschienen 1874 und 1875 unter dem Titel L’lle mystérieuse bei Pierre-Jules Hetzel, Paris. Und zwar: Band I: L’lle mystérieuse. Les Naufragés d’air. am 10. September 1874. Band II: L’lle mystérieuse. L’Abandonné. am 12. Mai 1875. Und Band III: L’lle mystérieuse. Le Secret de L’île. am 28. Oktober 1875. Eine Vorabveröffentlichung begann zu Anfang des Jahres 1874 im Magasin d’Éducation et de Récréation ab Band XIX.
MW: Welche Insel stand der Lincoln-Insel wohl Pate?
A. Fehrmann: Diese Insel ist rein fiktiv. Durch die Beschreibung einer nicht parallel möglichen Flora und Fauna schuf Verne einen Mikrokosmos, der beispielhaft für einen gesamten Kontinent stehen könnte. Aus diesem Grunde hat er auch kein Problem, zum Schluss die Insel „untergehen zu lassen“ – nur eine Klippe bleibt übrig. Die in der Nähe (des Romans) liegende Insel Tabor (die erste Bleibe des ausgesetzten Ayrtons, eigentlich die Insel Kapitän Grants) ist im Kartenmaterial nachweisbar. Damit ist auch die fiktive Lage der Lincolninsel bestimmbar. (Siehe: http://www.j-verne.de/verne8_4.html, wo auch eine Karte zu sehen ist).
MW: Hat Jules Verne von Wissenschaftlern Hilfe dabei bekommen zu beschreiben, wie sich Cyrus Smith auf der Insel zurecht findet?
A. Fehrmann: Er hatte die beschriebenen Fakten zur Umwelt (Flora/Fauna) und zu den Technologien der Metallgewinnung etc. durch Selbststudium erworben. Mehrfach in der Woche war er in der Bibliothek. Siehe dazu auch meine fiktive Geschichte: Lapin aux Pruneaux – oder wie ein Mittagessen die Literatur beeinflusste (auf http://www.j-verne.de/verne_bio_raetsel.html).
Fortsetzung der Biografie:
Im Februar 1868 sah sich Jules Verne gezwungen, seine „St. Michel“ zu verkaufen, um seinem Sohn finanziell beizustehen, der sich verspekuliert hatte.
Am 9. März 1886 schoss ihm sein Neffe, Gaston, in den Fuß, was zur Folge hatte, das Verne nie wieder schmerzfrei gehen konnte. Grund dafür war eine Mischung aus Neid und geistiger Verwirrtheit. Vermutlich war Gaston schizophren. Mit diesem Ereignis wendete sich das Blatt in Jules Vernes Leben – leider – zum Schlechten. Hinzu kamen weitere Ereignisse, die ihn seelisch erschütterten.
So starb nur wenig später sein Verleger und Freund Jules Hetzel. Dessen Sohn übernahm nun den Verlag, doch gab es jetzt keine Zusammenarbeit mehr zwischen Autor und Verleger. Hetzel hatte Vernes Bücher nicht nur publiziert, er hatte ihm auch mit Rat zur Seite gestanden, wenn es um Inhalte ging, wusste einerseits von Vernes erzählerischem Talent und andererseits, was gerne gelesen wurde. Von jetzt an war Verne auf sich allein gestellt. Seine Geschichten wurden dunkler, doch nicht weniger prophetisch und warnen vor der Schattenseite der Wissenschaft, wie Massenvernichtungswaffen.
1887 starb seine Mutter. Als auch noch sein geliebter Bruder, Paul, starb, ging es endgültig bergab mit ihm. Magenschmerzen, grauer Starr und Krämpfe in den Händen machten es ihm schwer – nicht nur, wenn es um das Schreiben ging. Allerdings unterstützte ihn ab 1888 sein Sohn, mit dem er sich bis dahin nicht wirklich gut verstanden hatte, und mit dem nun eine Aussöhnung begann, bei seiner Arbeit, indem er sich z.B. Texte diktieren ließ.
Jules Vernes letzte Lebensjahre, in denen z.B. seine Romane „Die Propellerinsel“, „Die Eissphinx“ und „Herr der Welt“ entstanden, waren von zunehmenden Leid geprägt.
Nach seinem 77. Geburtstag, am 08. Februar 1905, bekam Jules Verne Diabetes und starb, nach zwei Anfällen, am 24. März 1905.
Hier geht es zu Teil II, wo es speziell um „Die geheimisvolle Insel“ geht…
https://starbase-fantasy.de/jules-verne-und-die-geheimnisvolle-insel-teil-ii/