Drei plus Eine Erfahrung

Heute ist Heiligabend. Genauer: Der 24. Dezember 2017, früh morgens. Naja, so früh auch nicht. Es ist 08:11 Uhr und draußen ist es immer noch recht dunkel, was auch an dem durchweg bedeckten Himmel liegen mag.

Erfahrungen über Texte zu überliefern ist vielleicht sinnlos. Vielmehr erscheint es mir so, dass man selbst die Erfahrungen machen muss. Wäre das anders, würde unsere Welt anders aussehen. Die Kriege der Welt alleine hätten dann ausgereicht, weil genug über das Elend der Kriege weitergegeben wurde, um weitere zu verhindern. Aber es gibt sie immer noch. Auf dem Gebiet sind leider recht beschränkte Männer am Werk, aber das ist ein anderes Thema…

Trotzdem möchte ich hier drei (plus eine) Erfahrungen mit euch teilen.

I.

Die erste Erfahrung ist das „Leben im Hier und Jetzt“. Ekkhard Tolle, Buddha, der Dalai Lama…. viele Autoren und Geistliche haben darüber schon geschrieben. Es ist die eine Wahrheit, die zu mehr Glück führen kann. Genauer gesagt… das möglichst bewusste Leben in der Gegenward minimiert Ängste, die nur im Kopf da sind, weil man sich dessen bewusst wird, dass sie nur im Kopf da sind, wenn man im Hier und Jetzt lebt.

Das Leben im Hier und Jetzt sorgt in Guten Zeiten dazu, dass man das Leben „aufsaugt“, wo es am süßesten ist und weiß, dass etwas zu tun ist, wenn es sich mal nicht so toll anfühlt. Bewusstes, gegenwärtiges Leben führt zu der intensiven Erfahrung namens Leben. Man kann auch sehr unbewusst leben, das wäre dann das Gegenteil. Wird von vielen bevorzugt.

II.

Wenn ich mir meine Eltern vor meinem geistigen Auge vorstelle, sehe ich, wie wenig sie wohl als Kinder einst wertgeschätzt wurden. Dabei waren ihre Eltern nicht mal „schlechte“ Eltern, sie waren nur Produkte ihrer Zeit. Wie wir alle.

Dennoch ist von dem Denken, sich selbst nicht so wichtig zu finden, aber anderen, fremden Menschen viel Bedeutung beizumessen, noch viel in unserer Zeit zu finden. Es gibt in meiner Familie ältere „Mitglieder“, deren Lebensmotto darin besteht, sich für andere aufzuopfern, weil das „edel“ ist, aber für sich selbst nicht da zu sein.

Wer aber für sich selbst nicht da ist, kann das auch nur begrenzt für andere! Wer sich selbst liebt (ich meine keine Egozentrik) und wertschätzt, wer also in seinen Selbst-wert investiert, aufmerksam und liebevoll (auch im Gedanken!) zu sich selbst ist, kann auch besser lieben und wer sein eigener „bester Freund“ wird, gerät nicht so schnell in Abhängigkeiten zu anderen.

Viele meiner Beziehungen gestalteten sich jahrelang so, dass ich mir von der potentiellen Partnerin erhoffte, sie möge mir das an Liebe schenken, was ich mir selbst nicht geben kann. Viele denken so. Frauen wie Männer. Und es funktioniert nicht. Wer sich selbst liebt, kann ehrlich lieben und geliebt werden (das dann auch annehmen). Selbstliebe macht auch unabhängig.

III.

Das ist meine jüngste „Baustelle“. Euch davon zu erzählen ist ein wenig unaufrichtig, weil ich hier selbst noch Erfahrungen sammele, aber ich habe bereits ein paar gemacht: Akzeptanz! Annehmen! Loslassen!

Stressfreier lebt man auf jeden Fall, wenn man nicht zu abhängig davon ist, dass das Leben so wird, im Detail wie im Groben, wie man es sich vorgestellt hat. „Das Leben ist das, was passiert, während du damit befasst bist, eigene Pläne zu schmieden.“ Sinngemäße sagt John Lennon damit viel über die Natur des Lebens, deren immerwährende Eigenschaft die Veränderung ist. Wer sich  – während er im Hier und Jetzt lebt und sich selbst wert schätzend zur Seite steht – darauf einlassen kann, dass das einzig sichere das ist, was just im Moment passiert und ansonsten alles im Fluss und ohne Garantie ist, sieht das Leben meiner Ansicht nach realistischer, wird flexibler und lernt auch, aus unerwarteten Änderungen noch das Beste zu machen, so weit möglich.

IV.

Manchmal weiß ich nicht, was ich glauben soll. An einen Gott, der Kinder an Krebs sterben lässt usw. ? An nichts?  An Buddha?

Ich bin weit davon entfernt, „Gott“ zu verstehen, aber bin mir über eines sicher: „Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde als unsere Schulweisheit sich träumen lässt!“

 

Eine Sherlock Holmes Weihnachtsparodie

Das Geheimnis der schwarzen Witwe

eine Sherlock Holmes Weihnachtsparodie

von Matthias Wieprecht 

Ich muss gestehen, dass meine Nerven noch lange nach dem zweiten afghanischen Krieg angeschlagener waren als es mir lieb gewesen wäre. So gab es Zeiten, in denen mich die Schrecken jener grausigen Epoche meines Lebens einholten, was sich in Alpträumen in der Nacht und einer geschwächten Konstitution am Tage bemerkbar machte. Sherlock Holmes begann mir jedoch schon damals, am Anfang unserer Freundschaft, langsam zu einem Anker zu werden. An seinen Fällen teilzuhaben, wurde mehr und mehr Sinn meines Lebens, neben meiner später gut florierenden Praxis.

Es war kurz nach einer jener Phasen nervlicher Schwäche und zudem noch sehr kurz vor Weihnachten als ich eines Abends aus einem bitterkalten Schneegestöber kommend, in das heimleige Wohnzimmer unserer gemeinsamen Behausung trat.

Bald schon gönnte mir ein Glas Sherry, legte meine Beine hoch und nahm mir den Roman, der an meinem Platz vor dem Kamin auf dem Beistelltisch lag. Sherlock Holmes saß mir mit geschlossenen Augen gegenüber und döste vor sich hin. Ich begann darüber nachzusinnen, wie es einfache Freuden vermögen, das Leben doch nahezu perfekt zu machen. In der Tat waren nicht Reichtümer, sondern solche Augenblicke wie hier, die das Leben lebenswert machten. Ich Empanada Dankbarkeit für die friedliche Ruhe, dafür, fernab von jeglichem Kriegsgetümmel und den Schreien verletzter Kameraden, verwöhnt im warmen zu sitzen, während der kalte Ostwind gegen unsere Scheiben drückte. Ich seufzte wohlig – und wurde mir – überrascht! – des Kopfschüttelns von Sherlock Holmes gewahr, der mit halb geöffneten Augenlidern begann zu sprechen:

Sie sind ein Romantiker, Watson, das steht einmal fest“, sagte er. „Aber“, dabei entzündete er seine Pfeife, „ich finde es hier auch viel gemütlicher als da draußen. Speziell seit Mrs. Hudson Holz aufgelegt hat. Bevor sie fragen: Ich folgte ihrem Blick, auch, wenn sie mich schlafend wähnten und außerdem kenne ich sie ein wenig. Das hat für die Folgerungen gereicht, dass sie gerade im Gedanken die Behaglichkeit unserer Wohnung preisen.“

Nun, dann ist es wohl so. Doch hat das nichts mit Romantik zu tun.“ stellte ich nüchtern fest und blickte etwas brüskiert zum Fenster, vor dem der Schnee in Massen vom Himmel segelte. Unvermittelt dachte ich an Jane Combridge, weil ihr kleiner, anmutiger Schattenriss zwischen Fenster und Sekretär meine Aufmerksamkeit erregte. Jane war einst meine Verlobte gewesen. Eine Krankheit hatte sie viel zu früh aus meinem Leben gerissen, was mich dazu veranlasst hatte, mich Hals über Kopf in den Krieg zu stürzen. Unreife der Jugend! Vor meinem inneren Auge dachte ich an gemeinsame Picknicks und Wanderungen, die wir unternommen hatten. Im Gedanken an Jane flammte in mir abermals der Wunsch nach einer Frau auf. Wie hätte ich ahnen können, dass sie mir in Gestalt von Mary Morstan schon so bald begegnen würde?

Und wieder schüttelte Holmes mürrisch den Kopf.


„Einer Frau doch wohl nicht?“


Ich setzte mich auf.


„Wieso eigentlich nicht?“ antwortete ich und fragte mit Absicht nicht danach, wie er schon wieder meine Gedanken erraten hatte. Damals glaubte ich noch, dass er oft rät. „Was haben sie gegen die Vorstellung einer schönen Beziehung, vielleicht sogar einer Ehe? “

Och, nichts, eigentlich. Nur … ich dachte, sie wollten Ruhe und Frieden? Natürlich sehen viele Frauen bezaubernd aus mit ihrem Lächeln und ihrem ganzen Erscheinungsbild. Nüchtern betrachtet sind Frauen in der Regel äußerst verschlagen. Jedenfalls ist das meine Erfahrung. Tun sie, was sie wollen. Was mich betrifft: Dieses Kapitel in meinem Leben ist erledigt.“


Sherlock Holmes all zu schlechte Meinung den Frauen gegenüber wurde mir im Laufe der Zeit zur Selbstverständlichkeit, da ich ihn immer besser kennenlernte, doch am Anfang brachte er mich damit oft zur Weißglut. Dieses Mal ignorierte ich seine abfälligen Bemerkungen absichtlich, da er mich neugierig gemacht hatte. Würde er mir aus jenem „erledigten Kapitel“ seines Lebens berichten? Das fragte ich mich. Abermals erkannte er, was in meinem Kopf vor sich ging. Er konnte in meinem Gesicht lesen wie in einem Buch.

Einem Bilderbuch!“, setzte er schlecht gelaunt hinzu. „Und was ihre Frage angeht: Eher würde ich nackt den Tower besuchen.“

Ich bin empört!“ erklärte ich und wandte mich mit einer Geste der Erschütterung meinem Buch zu, das ich leider falsch herum hielt. Holmes überging dies mit einem kurzen Lächeln, das über sein Gesicht huschte. Beide schwiegen wir uns aus, während ich mich meinem Roman zuwandte und Sherlock Holmes an seiner Pfeife zog, bis der Big Ben in der Ferne Mitternacht schlug.

Holmes zog seine Uhr aus seinem Morgenmantel und erklärte:

Das war natürlich nur ein Scherz.“

Was meinen sie?“ fragte ich.

Ich würde nie nackt den Tower besuchen!“ erklärte er, aber ich blieb unversöhnlich, starrte weiter Seite 49 meines Romans an.

Ach, Watson, sie sind doch mein Boswell!“ entfuhr es ihm nun.

Ich fühlte mich natürlich geschmeichelt, aber wenn es sein Ziel gewesen war abzulenken, würde ich ihm dieses Mal die Suppe versalzen. Es war mein fester Vorsatz, eine Antwort zu erzwingen. Warum ich mich darin so sehr verbissen hatte, wurde mir erst viel später klar. In jener Zeit unserer Freundschaft schaffte es Sherlock Holmes sehr oft, mir das Gefühl zu geben, ziemlich, wie soll ich es sagen, minderbemittelt zu sein. Ich musste erst noch die wahre Größe seines Geistes kennenlernen, um zu bemerken, dass so ziemlich jede Person in seiner Gegenwart ziemlich dämlich erschien. Damals wollte ich ihn von seinem Podest zu uns normalen Menschen, speziell jedoch zu uns normalen Männern, herunterziehen. Der Grad, in dem selbst die schönste Frau für ihn reizlos zu sein schien, machte mich geradezu sprachlos.

Ich bin ihr Boswell, schön. Wenn ich schon ihr Biograph bin, erzählen sie es mir. Wie kommen sie darauf, Frauen seien verschlagen? Waren sie selbst einmal verliebt? Es fällt mir schwer, mir das vorstellen zu können. Dennoch… warum eigentlich nicht? Na…? Na….? Was ist ihre Antwort?“, stichelte ich.

In diesem Moment vernahmen wir im Treppenhaus Stimmengewirr. Mrs. Hudson hatte jemanden eingelassen. Als wir die schweren Schritte vernahmen, seufzte Holmes.

Gott sei Dank, Lestrade!“ rief Holmes unangemessen erleichtert aus und sogleich trat der Inspektor mit dem Frettchen – Gesicht, roten Wangen und zutiefst von der Kälte dieses schauerlichen Wetters durchzogen, ein. Ich kredenzte ihm einen Weinbrand, den er in einem Zug austrank. Dann lies er sich auf das Sofa fallen und stöhnte:

Warum muss ich ausgerechnet heute Dienst haben?“

Was meinen sie mit „ausgerechnet heute“?“ fragte der Detektiv und ich folgte meinem Vorsatz, ihn nicht daran zu erinnern, dass wir uns am Anfang des ersten Weihnachtstages befanden. Holmes übersah Feste jeglicher Art.

Watson“, hatte er einmal gesagt, „wozu soll ich meinen Geist mit Weihnachten oder Ostern belasten? Welchen Zweck hätte das?“

Inspektor Lestrade konnte es kaum glauben, dass Holmes so ahnungslos war.

Welchen Tag wir haben? Diese Frage ist nicht ernst gemeint? Oder? Doktor?“ fragte der Inspektor mit hochgezogenen Augenbrauen unter seiner von tauendem Schnee bedeckten Melone.

Doch, doch!“, bestätigte ich. „Er hat wirklich keine Ahnung, was für ein Tag das ist!“

Oh!“ sagte Lestrade nur und schaute zwischen Holmes und mir hin- und her, bis Holmes, nach näherer Begutachtung des Inspektors, eben diesen fragte:

Mein Gott, Lestrade, warum wollen sie mir ein Geschenk machen? Warten sie, mein Geburtstag ist nächsten Monat. Ich wüsste nicht, was… Haben wir…“

Dann sah er mich mit großen Augen an.

„…Weihnachten?“

Frohe Weihnachten, Holmes!“ sagte ich. „Fangen sie jetzt aber nicht wieder an zu diskutieren, wie sinnvoll es ist, sich so ein Fest zu merken…!“

Lestrade zog eine Schachtel unter seinem weiten Mantel hervor, gemeinsam mit einem Briefumschlag.


„Frohe Weihnacht ihnen Beiden!“ sagte er, gab mir die Schachtel und Holmes den Umschlag.

In der Schachtel befanden sich köstliches Konfekt, während Holmes sich über einige Papiere sehr zu freuen schien.

Sind es etwa die Originale?“ fragte er erfreut.

Nein, aber genaue Kopien, wie sie sie damals haben wollten, Holmes. Und kein Wort davon! Wenn Warren davon erfährt, bin ich meine Stelle los!“

Sherlock Holms einmal so vergnügt zu sehen, hätte ich nie erwartet. Wie weggeblasen waren seine misanthropischen Allüren. Mit frohen, geröteten Wangen schüttelte er Lestrade die Hand und bedankte sich überschwänglich.

Sehen sie doch; Watson, sehen sie! Alle Papiere, die mir im ungelösten „Johnson-Fall“ noch fehlten!“

Johnson Fall?“ fragte ich.“

Das ist streng geheim, Doktor Watson“, erklärte Lestrade, „sagen wir, es ist ein alter, ungelöster Fall. Holmes half uns damals sehr, aber wurde nach dem Abschluss von ihrer Majestät in keiner Weise mehr aufgeklärt, wie er ausging.“

Weil die Auflösung das Königshaus in ein schlechtes Licht gerückt hätte!“ rief Holmes. „Ich wette immer noch, dass eine gewisse Person aus erlauchten Kreisen sich in den nächsten Jahren als Massenmörder in Whitechapel einen Namen machen wird. Sollten meine Theorien stimmen, Lestrade, dann denken sie an meine Worte, wenn es los geht!“

Sagen sie das nicht zu laut!“ klagte Lestrade, offenbar um seine Stelle bangend.

Meine Lippen sind versiegelt!“ versprach der Detektiv.


„Nun“, sagte ich, ich habe auch noch eine Kleinigkeit für …. sie Beide. Für sie, Lestrade, einige literarische Versuche, einen historischen Roman über Napoleon zu schreiben. Es wird vermutlich nie Beachtung finden, aber ich denke, es könnte ihnen gefallen. Constable Masterson meinte, sie würden sich privat für Historie interessieren! Und für sie, Holmes… ja, für sie habe ich auch etwas.“

Ich schenkte ihm ein altes Buch über Morde im antiken Griechenland. Auch darüber freute er sich maßlos, wobei die Johnson-Papiere ihn mehr zum Schwelgen brachten als es eine ganze Garnison Bleisoldaten bei einem Kind vermocht hätte.

Lestrade war von meinem Geschenk sichtlich berührt. „Woher wussten sie, dass ich hier her käme?“ fragte er.

Ebenfalls der Constable Masterson. Der meinte, sie würden auf ihrer Route mit Sicherheit hier einkehren, wenn noch Licht wäre.“

Lestrade lächelte in sich hinein. „Da ist wohl ein Constable auf eine Beförderung aus.“ Er lachte laut aus und blätterte interessiert in meinem Manuskript, das ich ihm geschenkt hatte.

Holmes sah plötzlich verlegen aus.

Ich habe so gar nichts für sie beide. Weihnachten vergesse ich immer, wie sie wissen, Watson. Schon meine Eltern hielten es mit Weihnachten eher …. sagen wir bescheiden. Aber“, wandte er sich an Lestrade, „sie haben in der Vergangenheit öfter angedeutet, dass sie gerne einmal ein paar Stücke von meine Geige hören wollten. Zwei, drei Weihnachtslieder vielleicht?“

Das wäre ganz ausgezeichnet!“ antwortete der Inspektor und rieb sich die Hände. „Aber geht das um diese Zeit? Mrs. Hudson…“

„…wird das nichts ausmachen. Sie ist ja selbst noch wach!“

Dann nehme ich ihr Geschenk liebend gerne an!“ sagte Lestrade. Holmes öffnete sogleich seinen Geigenkasten als ich (etwas keck) einwarf: „Ich wüsste auch, was ich mir wünsche.“

Holmes Augen blitzen kurz auf, wurden dann aber schnell sanftmütig.

Also gut, ich werde ihnen von der einen Frau erzählen, die mich so dermaßen um den Verstand brachte, dass ich um ein Haar ihr Opfer geworden wäre. Sie können den Fall als „Der Fall der schwarzen Witwe“ bezeichnen.“

„Eine grandiose Idee“, antwortete ich.

Nein, viel zu dramatisch. Das war doch bloß ein Scherz!“, antwortete Holmes, „außerdem soll davon nie jemand erfahren. Meinetwegen können sie in ihrem Testament vermerken, dass diese Geschichte im Jahre … 2017 veröffentlicht werden darf, aber nicht zu meinen Lebzeiten!“

Zweitausendsiebzehn“, lachte Lestrade in sich hinein. „Da wird sich kaum noch jemand an uns erinnern, meine Herren.

In diesem Augenblick erschien Mrs. Hudson mit einem Plumpudding in der Tür.

Es ist noch sehr spät- oder früh, aber hat jemand Interesse an einem Christmas-Pudding?“

Aber ganz und gar nicht!“ rief ich. „Sie sind ein Engel, Mrs. Hudson.“

Sie errötete mädchenhaft.

Haben sie noch etwas Weinbrand, Doktor?“ fragte Lestrade.

Der Pudding roch außerordentlich lecker. Ja, unsere alte schottische Hauswirtin wusste uns schon zu verwöhnen!

Mrs. Hudson, wollen sie nicht bleiben und zuhören, wenn Mr. Holmes gleich einige Weihnachtslieder spielten wird?“ fragte ich sie und sie nahm diese Einladung gerne an.

Wir aßen, unterhielten uns, lachten und lauschten schließlich weiterer Musik von Holmes. Als wir danach satt und noch zufriedener in unseren Sesseln und auf dem Sofa Platz genommen hatten, erinnerte sich Holmes des Versprechens, das er mir gegeben hatte.

Er trank einen Zug aus seinem Sherry – Glas (er bevorzugte Sherry dem Weinbrand) und sah gedankenverloren in das lodernde, knisternde Feuer unseres Kamins als er begann zu erzählen.

Ich wohnte noch in der Montague – Street. Meine Wohnung war klein, aber erfüllte ihren Zweck. Schon damals forschte ich zeitweise im Labor des Bartholomew Hospitals. Eines Tages klopfte es an der Tür meines Untersuchungsraums, in dem ich mich gerade über ein Experiment beugte, dass nachweisen sollte, wie sich Eisen im geschmolzenen Zustand verhält, wenn es mit Blut zusammentrifft. Vor mir stand unerwartet eine, ja, wunderschöne Frau. Tja, Watson, ihre „Denkmaschine Holmes“ hatte auch einmal solch großzügige Gefühle gegenüber dem anderen Geschlecht. Sie hatte langes, braunes Haar und ein Feuer in ihren Augen – das es mir völlig unmöglich machte, meinen Blick von ihr zu wenden. Sie hatte mich schon in ihrer Hand, auch, wenn ich mir das nicht eingestehen wollte.“

„So? Und mit welchem Anliegen kam sie zu ihnen?“ fragte Lestrade. „Welches Verbrechen sollten sie für die Dame aufklären? Mord, Raub oder etwa Erpressung?“

Oh nichts der Gleichen, guter Inspektor. Sie hatte etwas gänzlich anderes im Sinn. Sie hatte sich in das Labor geschlichen, weil es eigentlich nur Männern zugänglich ist. Nun wollte sie, dass ich ihr dabei behilflich war, eine Ausnahme von dieser Regel zu werden. Ich fragte sie, wie ausgerechnet ich das tun könne und sie erklärte, sie sei davon überzeugt, das ein Mann wie ich, mit meiner Intelligenz, sicher etwas einfiele. Da begann ich mich zum Narren zu machen, Watson, wie ein Mann sich nur zum Narren halten lassen konnte. Ich erlaubte ihr, sich zeitweise in Zukunft für mich auszugeben. Ich war damals sehr empfänglich für Komplimente. Später erst erkannte ich, dass man neutral und objektiv bei der Beurteilung von Allem bleiben sollte.“

Ich räusperte mich. Holmes sah mich verdutzt an.

Oh ja, ich schweife ab. Ich erklärte gerade, dass sie sich für mich ausgeben wollte. Wie anziehend sie auch war, hätte sie mich doch nie dazu gebracht, ihr in solch frapanter Weise zu helfen, wenn sie mich nicht in ein faszinierendes Gespräch über Eisen im Blut und die Wirkung von Schnecken… egal, sagen wir: Sie war äußerst intelligent und ich hätte es als Vergeudung von Talent angesehen, wenn ich ihr nicht geholfen hätte, ihre Forschungen zu betreiben. Also verkleidete sie sich und wurde zu meinem Double sozusagen.“

Aber das hätte man doch sicherlich bemerkt!“ meinte Mrs. Hudson und nahm mir mein Wort aus dem Mund, denn genau dies wollte ich auch bemerken.

Damals entwickelte ich die Fähigkeit der Verkleidung, in der ich immer besser wurde. Menschen hatte ich immer schon beobachtet, aber als sie zu mir kam und mich bat ihr dabei zu helfen, im Labor ihre Forschungen betreiben zu können, willigte ich ein und lernte, was es zu lernen gab, um sie perfekt und schnell in mich zu verwandeln. So teilten wir uns das Labor unter der Woche. Ihre Verkleidung war überzeugend, glauben sie es mir. Da ich zudem ohnehin eher ein wortkarger Mann war, schon damals, kam es auch zu keinen Gesprächen, in denen meine – also ihre – viel höhere Stimme aufgefallen wäre. So ging das tagelang, ohne das es jemandem auffiel.“

Das war sehr galant von ihnen, Holmes, das muss ich sagen.“ meinte Lestrade und stopfte sich noch ein Stück Plumpudding in den Mund. Wie ging es aber weiter?“

Holmes nahm einen Zug aus seiner Pfeife. Dann erzählte er weiter. „Diese Dame und ich – wir hatten mehr gemeinsam als nur unsere Liebe zur Wissenschaft. Sie vermochte es, mich zum Lachen zu bringen. Es gab manch alberne, aber ungeheuer witzige Momente, wenn ich ihr half, sich in meine Person zu verwandeln. Dies geschah immer in meiner Privatwohnung.

Eines Tages kam es auch tatsächlich zu einem Kuss zwischen uns. Kurz bevor sie ging, küsste sie mich und sah mir ernst in die Augen. Diesen Blick habe ich bis heut enicht vergessen.

Einen Tag später, ich war wieder persönlich im Labor, wunderte ich mich, denn ich stellte im Labor fest, dass sie offenbar ein neuartiges, schnell wirkendes Gift hergestellt hatte. Das erkannte ich an den Überresten in der Petri-Schale und im Erlenmeyer-Kolben. Ich wollte sie zur Rede stellen, aber sie war spurlos verschwunden! Bevor ich diesbezüglich meine Untersuchungen beginnen konnte, stand plötzlich ein Inspektor von Scotland Yard vor meiner Tür in der Montague Street. Ich wäre ein Mörder, hieß es.“

Wie war sein Name?“ wollte Lestrade wissen.

Finlayson war sein Name. Ein kleiner, untersetzter Mann. Ire, wenn ich mich richtig entsinne.“

Ah gut, den kenne ich in der Tat nicht. Ist wohl schon zu lange her.“ sagte Lestrade.

Ich bekam einen Anwalt, um den sich Mycroft kümmerte. Offenbar sei ich regelmäßig im Labor gewesen und hätte das Gift selbst hergestellt, hieß es. Außerdem wäre ich gesehen worden, wie ich im Eaton Place in ein Haus gestiegen sei und in der Küche eine Mahlzeit vergiftet hätte. Allerdings sei ein Butler darauf aufmerksam geworden und hätte auf mich geschossen, mich aber verfehlt. Das Essen wurde untersucht. Das Gift enthielt Wirkstoffe, wie sie nur in großen Krankenhaus-Laboren vorkommen und in dieser Zusammenstellung nur in „meinem“ Labor. Es wurde jemand gesucht, der, neben Ärzten und Wissenschaftlern, Zutritt zu diesen Orten hatte. So kam man auf mich. Die Polizei hatte schlechte, aber für ihre Verhältnisse ganz passable Arbeit geleistet und war zur falschen Schlussfolgerung gekommen.“

„Das ist ja unglaublich!“ riefen Lestrade und ich gleichzeitig.

Niemand glaubte meiner Version der Geschichte, dass sie eine Frau suchen, die sich wie ich verkleidet hatte. Ich konnte es ihnen nicht einmal verdenken und da ich im Gefängnis saß, konnte ich auch nicht das Gegenteil beweisen. Ich kam vor Gericht, mir wurde der Prozess gemacht. Der Grund für die Härte der Strafe hatte wohl damit zu tun, dass das „Opfer“ ein recht mächtiger Regierungsmann gewesen wäre. Vorausgesetzt, er wäre vergiftet worden und sie wäre nicht erwischt worden. Eine Nacht vor meiner Hinrichtung saß Mycroft bei mir in der Zelle und versuchte mich aufzumuntern.

Im Angesicht des Todes erkannte ich, wie gefährlich es war, seinen Emotionen zu erlauben, die Oberhand zu gewinnen! Erstaunlicherweise jedoch erhielt die Polizei von der gesuchten Dame ein Schuldbekenntnis zugesandt, welches letztlich für meine Freilassung sorgte. Zugegebenermaßen hatte Mycroft allerdings auch schon einen gewissen Einfluss in der politischen Szene. Dieses Bekenntnis war der Strohhalm, auf den er gehofft hatte, um seine Beziehungen spielen zu lassen. Jetzt wissen sie es, Watson, warum ich stets bestrebt bin, frei von Gefühlen zu bleiben. Nur ein besonnener Mann kann besonnene Schlussfolgerungen ziehen!“

Das Feuer im Kamin knisterte und für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen. Niemand sagte ein Wort. Ich räusperte mich.

„Holmes, warum haben sie denn nie darüber gesprochen?“

Emotionen sind nicht meine Freunde, Watson. In allem, was logisch erklärbar ist, finde ich meinen Trost in dieser düsteren Welt des Scheins.“

Außer dem Knistern des Feuers im Kamin war nichts zu hören. Niemand sagte ein Wort, bis Holmes die unerwarteten Worte sprach: „Wenn ich mich hier jetzt so umsehe, muss ich den klaren Schluss ziehen, dass ich dennoch kein einsamer Mann bin.“

Sherlock Holmes erinnerte sich fortan jedes Jahr an Weihnachten und bestand darauf, dass wir uns – wie erstmals an jenem Abend – trafen, um miteinander ein paar fröhliche Stunden zu verbringen.

Western Story. Die ganze Geschichte, ihr Anfang und Ende, aber doch weniger als Fleisch an einem Knochen ist, den Sam Tablun seinem Hund nach der Messe zuwirft. Am Ostermontag.

Es ist egal, wer ich bin. Ich werde eines Tages sterben und nur wenige werden sich an mich erinnern. Wichtig ist vielleicht eher Johnny McLeourd, der den alten Säufer, Bixby, davor bewahrt hat, erschossen zu werden. McLeourd war ein Rotschopf, ein Ire und wenn Iren etwas haben, ist es Feuer. Der alte Säufer Bixby (niemand wusst, wie sein wahrer Name war, aber Bixby war es sicher nicht) beleidigte nach der zweiten Flasche Fusel alles, was ihm in den Weg kam. Auch an jenem Sonntagnachmittag als McLeourd den Saloon betrat. McLeourd war da noch niemanden bekannt, auch mir nicht. Das sollte sich noch ordentlich ändern, aber dazu später. Sicher ist, dass McLeourd den Saloon betrat und gleich eine Salve Beleidungen an den Kopf geschmissen bekam. Nicht etwa er, sondern seine Begleitung, Jeff McGreedy, zückte bei so vielen ungerechtfertigen wie gerechtfertigten Verwünschungen gleich seinen Colt, doch McLeourd, auch ein Ire, aber viel reifer, schlug seinen Kumpel nieder, so dass er einen Zahn verlor. Dafür dankte er ihm später, denn der Zahn machte ihm schon lange Schmerzen, doch hatte McGreedy nie den Mut aufgesammelt, um beim Zahnarzt rein zu schauen und, bei Gott, wer will ihm das verdenken? Der letzte Besucher beim Zahnarzt konnte ein Jahr danach nur Brei essen, erst dann wieder Fleisch und das hat er mit uns gefeiert, das kann ich euch sagen.

Nun kann man sich vorstellen, dass der Kumpel von McLeourd erstmal nicht so begeistert von dem Schlag war, denn da wusste er noch nichts vom Segen dieses gezielten Schlags. Also rappelte er sich auf, wie ein Stier so wild und wollte jetzt sowohl Bixby, der seine Klappe immer noch nicht halten konnte, als auch seinem Freund ans Leder. McLeourd hatte aber dessen Waffe in Gewahrsam genommen und natürlich kam es wie es kommen musste: Zu einer Schlägerei. Was auch sonst sollten die Cowboys an einem Sonntagnachmittag tun? McLeourd hielt sich da aber eben so raus wie ich, der ich zufällig auch vor Ort war und darum davon zeugen kann.

Sowohl er als auch ich zogen uns – ohne voneinander zu wissen – ins Poker-Zimmer zurück und genehmigten uns dort je ein Glas Whiskey. In aller Ruhe. Die ganzen Spieler waren, neugierig vom Lärm nebenan , in den Saloon geeilt um dort an der Schlägerei teilzunehmen – oft auch unfreiwillig, denn bloße Gaffer und „Zeugen“ wurden oftmals in eine aktive Rolle gezwungen.

Jedenfalls saßen wir dann da und tranken und als wir uns dabei sahen, erschraken wir wohl beide. Denn auch er zuckte kurz zusammen. „Was, sie wollen da nicht mitmachen?“ fragte ich und deutete zum Nachbarzimmer von dem die Geräusche brechenden Holzes, Gegröle und Gestöhne zu hören waren. „Ich bin nicht irre, nur Ire“, sagte der Andere und wiederholte damit einen uralten Witz, den ich schon tausend Mal gehört hatte, aber in diesem Augenblick lies er mich laut losprusten vor Lachen, wobei ich den letzten Schluck Whiskey auf dem Pokertisch verteilte. Wir stellten einander vor, nachdem wir miteinander gelacht hatten. Ich kann euch sagen, wann und wen ihr auch immer wo kennenlernt: Geschieht es mit einem Lachen, freut euch des Lebens, denn das wird halten und viel abkönnen in der Zukunft!

Da ich mir den Nachnamen von McLeourd (eben jenen) erst nicht merken konnte, nannte ich ihn nur „Joe“, obwohl das gar nicht sein Name war und er nannte mich „Jack“. Er meinte, ich sähe aus wie ein „Jack“. Witzig, dachte ich, da mich meine Eltern Bartholomäus genannte hatten. Jack gefiel mir besser. Aber das behielt ich für mich. Damals jedenfalls.

„Was hat dich … eh…. euch hergetrieben? Gold?“

„Jup. Bei mir ist es einfache Neugier, bei meinem Kumpel ist es Gold. Würde sagen Goldfieber. Der Verrückte kann einfach nicht aufhören. Dabei hat er weiß Gott Pech gehabt. Den ganzen Yukon sind wir lang und das ist viel, viel Platz, den der einnimmt. Würde mich gerne mal erkundigen, wie lang der ist. Aber weiß ja keiner. Egal. Jedenfalls hat er mich tatsächlich vor einem netten Paar Indianer beschützt. Ja, ehrlich! Normalerweise ist er ein Draufgänger und Raufbold, aber …. Stell dir einfach vor, ich stand da und mir gegenüber, nur 50 Meter im leichten Morgendunst entfernt, zwei Indianer mit Kriegsbemalung. Da wirft er mir aus der Deckung einen Stein zu und winkt mich her. Wir haben uns unter einer Decke versteckt, auf der er ne Menge Erde gepackt hatte. Ich habe keine Ahnung, ob die Indianer mir überaupt ans Leben wollten, aber vielleicht gut, das ich das nicht weiß.“

Darauf tranken wir und unsere Gläser klirrten aneinander. Nicht zum letzten Mal. Dann begann ich von mir zu erzählen.

„Meine Frau ist mir weggelaufen. Ja, es ist ein Klischee. Haben uns oft gestritten. Die Erträge der Farm brachten nicht mehr so viel wie sie wollte. Sie wollte leben wie die Südstaaten-Damen, bei mir gab es nur Essen und ein Dach über dem Kopf, das reichte ihr nicht. Also ging sie weg. Ich begann zu triken, litt sehr darunter und dann verkaufte ich alles, nahm meine Ersparnisse, zog los und blieb hier in diesem Hotel stecken. Bisher. Ich habe keinen Plan, was kommen mag.“

Da bekamen die Augen von Jeff einen glänzenderen Ausdruck als es alleine vom Alkohol her möglich gewesen wäre.

„Ja“, sagte er, „das Leben ist manchmal ne schwere Sache.“

In dieser Art quatschten wir noch die ganze Nacht hindurch, wurde sozusagen im Eiltempo beste Freunde, während es nebenan ruhiger wurde, weil der Sheriff kam, der Arzt kam, aufgeräumt wurde und als der Saloon am frühen morgen schließen wollte, freute ich mich darüber, in mein Bett zu fallen, nachdem ich mich von meinem neuen Bekannten verabschiedet hatte.

Ich ging davon aus, das sei die erste und letzte Begegnung mit Jeff. Aber dabei blieb es nicht. Eigentlich wollte ich nichts weiter erzählen. Nur unser Kennenlernen beschreiben. Aber na gut…

Jeff und ich sahen uns erstmal nur noch im Vorbeilaufen, so lange er mit seinem Kumpel in der Stadt war, der natürlich mehr als ein blaues Auge davon getragen hatte und dem Sheriff nunmehr als Unruhestifter bekannt geworden war. Dann verlies er die Stadt. Wir trafen uns kurz davor im Drug-Store. „Wohin soll es gehen?“ fragte ich ihn. Er machte ein vielsagendes Gesicht, das ich nicht deuten konnte. „McGreedy meint, er weiß, wo es wirklich Gold zu finden gibt.“ sagte er dann. „Ist was dran?“ fragte ich ihn und er zuckte mit den Achseln. „Wir werden sehen.“

Eine Woche später erhielt ich einen Brief, in dem sich scheinbar nur Sand befand. Zum Glück rieselte es nicht auf den Boden, sondern auf ein frisches Blatt weißen Papiers auf meinem Schreibtisch. Dort erkannte ich, dass es GOLDSTAUB war.

Jack kam bald alleine zurück in die Stadt und bot mir an, mit mir den Rest des Goldes zu holen, dass sein Kumpel und er in einer Mine gefunden hatten. Ich war einverstanden. So begannen vier spannende Jahre, in denen es hoch und runter ging. Wir begegneten Bankräubern, Indianern, mussten mit Soldaten kämpfen und vor ihnen davon laufen. Wir wurden Teil einer Bande, um nicht aufzufliegen, lernten Mexiko kennen und fanden beide die Liebe unseres Lebens, ehe wir uns in zwei Häusern niederließen, die nahe beieinander standen.

Manchmal kam abends der Eine zum Anderen und wir sprachen über die „alten Zeiten“. Vielleicht werde ich auch mal darüber schreiben. Aber erstmal soll es das gewesen sein, denn meine Frau verlangt nach mir. Seltsam, wie mich das freut, denn vermutlich hat sie nur wieder etwas zu Tun für mich.

Was Selbstliebe vermag…

mit gebrochenem Flügel

auf einer Sandbank

im Regen

bewegt von den Wellen

mich zurückholend und vorwärts schiebend

glaubte ich

das Ende sei nah

aber es kamen neue Wellen

mich schiebend und drängend

mich ziehend und holend

meine bewegungen bewiesen mir

leben durchziehe meinen körper

 

so vergingen die jahre

mein blick wurde fade

meine seele leer

ich empfand fast nichts mehr

außer ganz innen

da rumorte es sehr

doch zu formulieren was da war

das fiel mir sehr schwer

 

ich träumte von rettung

von warmen händen

die mich geborgen heim trugen

und mich pflegten und sorgten

und liebe worte sagten

während ich mein gefieder sortierte

bald bereit für den flug

in ein freies, weites leben

doch die schiebenden wellen

sogen mich mehr denn je

in jener sturmumtosten nacht

mein blick hinauf

zum sternenleeren schwarz

der decke dieser welt

 

Heute blicke ich hinab von der Anhöhe,

vom Rasen, der so saftig und grün meine Seele beruhigt,

hinab an diesem schönen Sommertag zu den blauen Wellen,

die das Leben selbst sind.

 

Geborgen wurde ich von mir selbst,

meiner eigenen Liebe zu mir.

Zeit

Zeit

Ich bedaure
verschwiegene Worte,
unbedachte Phrasen,
zurückgehaltene Berührungen,
nie umgesetzte Taten,
missachtete Grenzen,
vermeidbares Leid, kurz:
vergeudete Zeit.

Ich befürchte
mit zunehmenden Jahren
werde ich stets das selbe nur erfahren:

Zurückblickend allein werde ich verstehen,
vorwärts strebend Fehler machen,
versuchen, den rechten Ton und Augenblick zu fassen,
um Falsches zu tun und
Rechtes sein zu lassen.

Besser wäre es wohl still zu stehen
statt mir bei meinen Fehlern zuzusehen!

Erlösung liegt allein im Augenblick,
wo ich dir begegne,
wo wir strahlen und fühlen und sind.

Im Augenblick,
wo die Welt keine Erinnerung,
die schuldig am Gewissen frisst,
noch ungewiss dräuende Zukunft ist.

Wo ich meinem Herzen erlauben kann zu sprechen,
unbedachte Phrasen zu verschweigen,
mich in Berührung kann zu Dir neigen,
Grenzen achtend,
Leid vermeidend.

Ich werde auch künftig Fehler machen,
aber seltener,
das hat mich die Zeit gelehrt:
Leben kann nur,
wer den lebendigen Augenblick verehrt!

Glücklich sein

Manchmal denke ich, 
dass es wichtig ist, 
Beruf, 
Ansehen, 
Geld, 
Frau 
und Auto 
zu haben,
weil ich dann und
nur dann
– und das sagen auch die Leute! – 
glücklich sein kann.

Manchmal bin ich einfach nur –
Glücklich.
Trotzdem.

Und doch, wenn die Leute Recht haben
– und wer wollte ihnen widersprechen? –
mit ihren Gedanken über das Glück,
dürfte ich es nicht sein, denke ich.

Und verschenke so manchmal mein Glück.